MOKO: Keine Scheu vorm Reh

Keine Scheu vorm Reh

Rehfleisch schmeckt besser, als viele glauben. Wenn man es richtig zubereitet. Außerdem ist Wildbret die ökologische Antwort auf industrielle Fleischproduktion.

Vom Reh kommt das Fleisch, das ich persönlich am liebsten esse. Es ist zart und saftig, aber trotzdem mager und bekömmlich. Und ich habe beim Essen ein gutes Gewissen: Wildbret ist die ökologische Antwort auf die industrielle Fleischproduktion – wenn man nicht ganz auf Fleisch verzichten will.
 
Morgens und abends verlassen Rehe ihre Deckung, um auf einer Wiese oder am Waldrand zu äsen, also nach Futter zu suchen. Die Jägerin auf der Kanzel trifft das Tier im Idealfall mit einem gezielten Schuss so, dass es sofort stirbt. Dadurch ist das Tier – im Unterschied zu jedem anderen, das in einem Schlachthof sein Leben lassen muss – keinem Stress ausgesetzt. Auch der Tiertransport vor der Schlachtung entfällt. Das ist gut fürs Tier, aber wirkt sich auch positiv auf den Geschmack des Fleisches aus.
 
Leider halten sich immer noch Vorurteile, Rehfleisch schmecke zu intensiv, zu süß, insgesamt eigenartig. Diesen eigentümlichen Geschmack, den die Franzosen als „haut-gout“ anpriesen, gibt es aber nicht mehr. Früher wurde das Reh in Essigtuch eingeschlagen, in Rotwein oder Buttermilch eingelegt, um das Fleisch zu konservieren. Das Reh wurde dadurch nicht unbedingt schmackhafter. Heutzutage reicht es zum Glück, das Fleisch zu kühlen.
Wenn Sie Kontakt zu einem Jäger oder einer Jägerin haben, bitten Sie darum, einmal auf der Jagd dabei sein zu dürfen. Mich beeindruckt es immer wieder, solche Primärerfahrungen machen zu können, den Kontakt zur Natur zu spüren. Das Wissen darum, wie Fährten zu lesen oder Wetterumschwünge einzuschätzen sind, darf meiner Meinung nach nicht verloren gehen. Genauso wenig wie das Bewusstsein, dass Fleisch immer von einem Tier kommt, das gelebt hat.
 
Bekommen Sie ein Reh direkt aus dem Wald, sollte es schon in Einzelteile zerlegt sein. Der Hals eignet sich gut für einen Wildfond. Die zwei Blätter, so werden die Schultern bezeichnet, lassen sich wunderbar zu Rehragout verarbeiten. Die Keulen bereite ich am liebsten im Ganzen zu, in einer Salzkruste. Die zwei Filets aus dem Rücken löse ich vom Knochen und brate sie sanft in Olivenöl an. Alle Knochen und Abschnitte wie Häute und Sehnen (sogenannte Parüren) sind wiederum Grundlage für den Wildfond. 
Bei allen Stücken vom Reh ist es wichtig, das Fleisch nicht zu lange zu garen, damit es nicht trocken wird. Wenn Sie ein Küchen-Thermometer haben, um die Kerntemperatur zu messen: Beim Rücken sind etwa 53 Grad ideal.
 
Und wie würzen? Ich verwende gern die französische Mischung Quatre-épices, die weißen Pfeffer, Ingwer, Muskat und Nelke enthält und sehr gut zum feinen Rehfleisch passt. Als Beilage empfehle ich gebratenen Wirsing. Und natürlich Preiselbeeren.

WILDFOND VOM REH

ZUTATEN für zwei Personen

2 kg Rehknochen, klein gehackt
Rehparüren, also Häute und Sehnen
1 Eßl. Olivenöl oder Butterschmalz
1 Eßl. Butter
200 g Zwiebeln
50 g Karotten
200 g Staudensellerie
1 Knoblauchzehe
1 Stängel Rosmarin
1 Stängel Thymian
Ein Schuss Portwein
Ein paar Lorbeerblätter
10 schwarze Pfefferkörner
5 Pimentkörner
3 Nelken
10 Wacholderbeeren, zerstoßen
2 Sternanis


GUT ZU WISSEN

Der Wildfond lässt sich gut einfrieren. Aufgetaut koche ich ihn noch einmal mit einem Stängel frischem Thymian auf, um ihn geschmacklich wieder frisch zu machen.

ZUBEREITUNG

Die Knochen hacken und in Butterschmalz oder Olivenöl anbraten, oder in einem Bräter in den Backofen schieben. Die Knochen sollten gut gebräunt sein. Danach gebe ich das Wurzelgemüse dazu, in grobe Würfel von etwa 2 x 2 cm geschnitten, außerdem die Kräuter. Alles gut mit den Knochen vermischen. Ich lasse das Gemüse eine Weile Farbe annehmen und lösche es dann mit etwas Portwein ab.Dann gebe ich kaltes Wasser dazu – und zwar so viel, dass die Knochen gerade so bedeckt sind. Jetzt die Gewürze dazugeben und alles bei sanfter Hitze zwei Stunden köcheln lassen, bis der Fond gut duftet. Die Flüssigkeit durch ein Haarsieb abgießen und in einem Topf auffangen, mit Salz und Pfeffer würzen. Ist der Fond noch nicht sämig genug, auf kleiner Flamme weiter reduzieren, bis er die gewünschte Konsistenz hat.

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