Warum die Zwiebel mehr Liebe verdient

Zwiebeln werden in der Küche so selbstverständlich verwendet, dass man sie gar nicht bewusst wahrnimmt und ihr eigentlich nicht genug Beachtung schenkt. Sie sind als ständiger Mitbewohner in jedem Haushalt anzutreffen. Und geht der Vorrat an Zwiebeln zur Neige, wird man sie sofort wieder auf die Einkaufsliste setzen. Außerdem kauft man nie nur eine oder zwei Zwiebeln, sondern stets gleich ein, zwei Kilo oder mehr, um sie beim Kochen immer griffbereit zu haben.

Warum sind die Zwiebeln das am meisten verwendete Gemüse? Weil sie unverzichtbar und elementar sind, um Gerichten Süße, Tiefe, Wärme, Schmelz und Weichheit zu verleihen. Dabei ist der Einstieg zu Zwiebeln erst einmal tränenreich. Keiner schält sie gerne und noch mehr Tränen fliessen beim Schneiden. Dies liegt an der schwefelhaltigen und schleimhautreizenden Aminosäure Isoallin. In jedem Fall benötigt man zum Schneiden der Zwiebel ein sehr scharfes Messer, um das Tränen der Augen einigermaßen in Zaum halten zu können. Manchmal hilft es auch, die geschälte Zwiebel kurz mit kaltem Wasser abzubrausen. Ein ehemaliger Mitarbeiter von mir musste schon beim Schälen immer so viel heulen, dass er nur mit einer sehr lustigen Brille die Zwiebeln geschnitten hat!

Aber sind sie erst einmal geschält und gewürfelt, lernt man die Zwiebel in ihrer Vielfält schätzen: Fast jede Crèmesuppe setze ich mit einer gewürfelten Zwiebel an, ebenso beginnt der Risotto damit, wobei ich dazu lieber die länglichen, französischen Schalotten benutze. Den Risotto gieße ich mit Geflügelfond an und auch dazu brauche ich die Zwiebel. In diesem Fall (und auch bei einer klaren Rinderbrühe mache ich es so) schäle ich die Zwiebel nicht, sondern schneide sie quer durch und lege sie mit der Schnittfläche nach unten in eine Pfanne. Die Zwiebel lasse ich dort richtig schwarz werden, spicke sie mit ein paar Nelken und in der Brühe wird sie während der 2- bis 3-stündigen Kochzeit Süße, Würze und vor allen Dingen Farbe abgeben.

Die älteren Leser/innen der Kolumne werden sich sicher noch daran erinnern, dass mit Zwiebelschalen zu Ostern die Eier gefärbt wurden. Und genau diesen warmen, appetitlich hellbraunen Ton nimmt die selbst gekochte Brühe durch die Zwiebelschalen an.
Ebenso dürfen Zwiebeln in keinem Braten fehlen. Ob Schweine-, Rind- oder Lammbraten verwende ich im Verhältnis doppelt so viele Zwiebeln, wie zum restlichen Wurzelgemüse aus Karotte, Sellerie und Lauch. Bei solchen Schmorgerichten gilt es, die Zwiebeln nicht zu fein zu würfeln, sondern eher in 3 x 3 cm große Würfel zu belassen, damit sie nicht verbrennen. Sie können so im Schmortopf dahin schmelzen und die aromatische Basis für eine Soße bilden, die so sämig sein muss, dass man sie am liebsten löffeln möchte!

Obwohl es erst einmal banal klingen mag, möchte ich ein paar Hinweise zum Einkauf geben: Ich prüfe beim Kauf, wie sich die Zwiebeln anfühlen. Besonders bei Schalotten ist es wichtig, dass sie auf Druck fest sein sollen und sich nicht weich nach innen biegen lassen. Die Schalen sollten alle trocken sein. Wenn die Zwiebel im Frühjahr grün heraustreibt, kaufe ich sie nicht mehr. Um den grünen Trieb im Frühling zu vermeiden bzw. hinauszuzögern, lagere ich die Zwiebeln in der dunkelsten Ecke im Lagerraum.

Geschälte oder klein geschnittene Zwiebeln bewahre ich niemals im Kühlschrank auf. Der Geruch der Zwiebeln fwürde den ganzen Kühlschrank ausfüllen und viele Lebensmittel würden schnell den Zwiebelgeruch annehmen. Aus diesem Grund empfehle ich in meiner Kochschule auch, sich unbedingt ein Zwiebelbrettchen in der Küche zuzulegen, auf dem ausschließlich Zwiebeln geschnitten werden – sonst nichts!

Vor vielen Jahren besuchte ich mit meinen Mitarbeiter/innen der MOKO nämlich zu einem Betriebsausflug ein Sternerestaurant. Es gab zum Nachtisch Schokolade und Birne. Nie werde ich diesen Geschmack der Birnenwürfel vergessen, die auf einem Brett geschnitten wurden, auf dem vorher eine Zwiebel lag. Die Birnen waren ungenießbar.

Trotzdem passen Birnen und Zwiebeln natürlich gut zueinander. Probieren Sie einmal Leber gebraten mit geschmorten Zwiebeln und Birnenscheiben. Und überhaupt: es gibt wenig, wozu Zwiebeln nicht passen. Sie haben in so vielen Speisen eine tragende Rolle, dass sie deshalb einmal genauer betrachtet werden sollten.

ZWIEBELROSTBRATEN MIT BRATKARTOFFELN

für zwei Personen

ZUTATEN

2 Scheiben à ca. 120 g-150 g vom hohen Roastbeef (Ribeye), fingerdick geschnitten
Salz
Pfeffer aus der Mühle
2 Eßl. Pflanzenöl
30 g Butter
150 g Zwiebeln
¼ l Rinderjus
Kräuter, wie z.B. Petersilie oder Kerbel

ZUBEREITUNG

Zunächst die Fleischscheiben auf etwa 1 cm Dicke plattieren, damit sie gleichmäßig stark sind. Sollte viel Fett am Rand sein, schneide ich das Fett leicht ein, damit sich die Scheiben während des Bratens nicht wölben. Das Fleisch Zimmertemperatur annehmen lassen. In der Zwischenzeit die Zwiebeln schälen und in dünne, gleichmäßige Ringe schneiden. Salzen und pfeffern. 

Öl in einer Eisenpfanne heiß werden lassen und die Scheiben von beiden Seiten goldbraun anbraten. Dann erst die Butter auf das Fleisch geben und bis zum gewünschten Garpunkt fertig braten.
Aus der Pfanne nehmen und im Backofen warm halten. In der Pfanne die Zwiebeln hellbraun dünsten, mit dem Rinderjus ablöschen und durchkochen. Die Soße schön sämig einkochen.

Wer mag, kann die Zwiebeln auch knusprig frittieren. Dazu die Ringe salzen und leicht mehlieren und im heißen Pflanzenöl bei 160 Grad goldgelb frittieren. Mit einem Schaumlöffel herausnehmen und auf Küchenpapier abtropfen lassen.
ANRICHTEN

Auf heißen, flachen Tellern servieren, knusprige Zwiebeln darüber, mit Petersilie dekorieren und Bratkartoffeln dazu reichen. In Schwaben gibt es selbstverständlich handgeschabte Spätzle dazu.
GUT ZU WISSEN

Die hohe Rippe eignet sich am besten dafür, hat aber einen höheren Fettanteil. Dieser Anteil nimmt in Richtung Roastbeef kontinuierlich ab. Auch Hüftsteaks eignen sich für den Zwiebelrostbraten.

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