Spätsommerlicher Alleskönner – die Zwetschke

Die Zwetschge ist mit ihrer bläulich-schwarz schimmernden Haut die Frucht, die den Sommer verabschiedet und den Herbst ankündigt. Diese Zeitspanne liebe ich sehr. Es ist nicht mehr so heiß, dass ich die Mittagshitze meiden muss und nur in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden entspannt draußen sein kann. Die Sonne hat jetzt noch wärmende Strahlen und ich kann den ganzen Tag in der Natur genießen. 

Sofern es zeitlich geht, unternehme ich sonntags deshalb eine Wanderung durch die Fränkische Schweiz. Der Landstrich zwischen Erlangen, Bamberg und Bayreuth zeichnet sich zwar durch wunderschöne, bizarre Felsformationen aus, ist aber natürlich weit weniger hoch und steil als in der „echten“ Schweiz. Wir haben hier eher Hügel und gemütliche Wanderwege, dafür die größte Dichte an kleinen Privatbrauereien der Welt (!), immer noch viele familiengeführte , hervorragende Gasthäuser mit angeschlossener, eigener Metzgerei und manchmal eigener Brennerei.  Denn in der „Fränkischen“ gibt es viele Obstwiesen, vor allem Kirschen im Sommer, Apfel, Birne und Zwetschge nun Mitte/Ende September. Viele Früchte werden in jenen Brennereien zu „Willi“ oder „Zwetschga“ verarbeitet.  Aber viele Bäume werden auch nicht mehr abgeerntet, weil die ältere Generation die anstrengende Erntearbeit nicht mehr schafft und die Jungen keine Lust darauf haben.

Deshalb begebe ich mich immer mit meinem großen Rucksack auf die Wanderschaft, denn die „stiebitzten“ Zwetschgen direkt vom Baum schmecken einfach am Besten.Am liebsten sind mir die späten Zwetschgen, die am Stielansatz schon richtig verschrumpelt sind, aber die volle Zuckerkonzentration in sich haben, nicht mehr wässrig sind und sich deshalb für einen Zwetschgendatschi am besten eignen. Wenn in meinem Rucksack dann genügend Zwetschgen sind und ich ein Bierchen in einer der schönen Wirtschaften getrunken habe, kehre ich in meine Küche zurück, um den Zwetschgenkuchen vorzubereiten.

Die Zwetschgen halbiere ich mit einem kleinen, scharfen Messer, schneide sie aber nicht ganz durch, sondern lasse sie
an der Längsseite beieinander, damit man sie – fast wie ein Buch – aufklappen kann. Dabei fällt der Kern mehr oder weniger gut von alleine heraus. Ist die Zwetschge noch nicht reif, bleibt der Kern an dem Fruchtfleisch haften. Aber ich nehme immer voll reife Zwetschgen, sodass das mit dem Kern meist mühelos geht. Dann wird die Zwetschge nochmals eingeschnitten, in dem ich in der Mitte der einen Zwetschgenhälfte einen kleinen Längsschnitt mache, der ungefähr bis zur Hälfte der Frucht geht. Klappt man die entkernte Zwetschge zusammen, kann man beide Hälften auf einmal durchschneiden, was natürlich bedeutend schneller geht.

In den wenigen Wochen von Mitte September bis Anfang Oktober ist es einfach wichtig, richtig viel Zwetschgenkuchen zu essen, denn nur in diesen knapp drei Wochen des Jahres schmecken die Zwetschgen und der Kuchen so richtig gut. Es muss noch heiß sein, man muss sein Stück gegen die ebenfalls hungrigen Wespen verteidigen und kein anderer Kuchen verlangt nach einem so vollen Löffel Schlagobers – wie die Österreicher zu sagen pflegen – als der Zwetschgendatschi. Im Grunde sieht man bei meinem Stück vor lauter Sahne keine Zwetschge mehr. Das ist dann perfekt! Natürlich sollte man in der Zwetschgensaison mindestens einmal Zwetschgenknödel gegessen haben. Diese bereite ich nach dem gleichen Rezept zu, wie ich die Marillenknödel beschrieben haben. 

Fällt die Ernte sehr gut aus und ich bei aller Liebe gar nicht mehr so viel Zwetschgenkuchen essen kann, verarbeite ich die Zwetschgen im großen Bräter mit einer Zimtstange zu Zwetschgenröster. Der lässt sich prima eingeweckt zum Kaiserschmarrn servieren. Süß-sauer eingelegte Zwetschgen passen gut zu geschmortem Wildschweinragout. Und einige Zwetschgen landen jedes Jahr im Dörrapparat. Denn Dörren ist eine der ältesten Konservierungsmethoden überhaupt und manche Produkte – wie die Zwetschge – eignen sich sehr gut dafür. Im Winter machen ein paar gedörrte Zwetschgen einen guten, sämigen Geschmack in einer Schweinebratensoße. Und auch die im Rezept beschriebenen Appetizer lassen sich gut mit getrockneten Zwetschgen zubereiten.

ZWETSCHGE IM SPECKMANTEL, GEFÜLLT MIT WALNUSS

für zwei Personen

ZUTATEN

6 Zwetschgen
6 Scheiben geräucherter Bauchspeck
6 Walnüsse
6 Salbeiblätter
1/ 8 l roter Portwein
2 Eßl. Olivenöl

ZUBEREITUNG

Die Zwetschge an der Längsseite aufschneiden, aber auf einer Seite noch zusammenlassen. Den Kern entfernen und die aufgeklappten Hälften in rotem Portwein bei geringer Hitze etwas weich werden lassen. Die Zwetschge muss jedoch noch ihre Form behalten und nicht zu Mus werden.

Sobald die Zwetschge etwas abgekühlt ist, gebe ich anstelle des Kerns eine Walnuss zwischen die Zwetschge. Dann lege ich ein frisches Salbeiblatt um die Zwetsche und wickle
Zwetschge und Salbeiblatt mit einer dünnen Scheibe geräucherten Bauchspeck umhüllt ein. 

Anschließend brate ich in wenig Olivenöl bei geringer Hitze den Speck ringsum an. Die Hitze darf wirklich nicht zu stark sein, damit durch den austretenden Zuckersaft nicht alles schwarz wird und verbrennt. Der Speck soll lediglich knusprig sein.
ANRICHTEN

Zum Servieren stecke ich einen Zahnstocher durch die Zwetschge und serviere sie als Aperohappen zum Prosecco oder fränkischen Winzersekt.
GUT ZU WISSEN

Am Rande möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Zwetschge zu den Steinfrüchten gehört. Der Kern in der Mitte deutet darauf hin. All diese Früchte sind keine Leichtgewichte und liegen oft schwer im Magen. Das sollte man beim zügellosen Konsum beachten – gleiches gilt auch für den Zwetschgenschnaps – der steigt allerdings zu Kopf!
 
Viel Vergnügen bei der Zwetschge!

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