Spargel schmeckt roh noch viel besser

Auf meinen ersten Reise nach Italien, in den späten Siebziger Jahren, steckte in meinem Rucksack ein Buch von Reinhard Raffalt: Eine Reise nach Neapel. Darin führt Raffalt heiter und amüsant vom Brenner über Verona, Venedig, Florenz und Siena nach Rom und an der Via Appia entlang weiter bis Neapel. Spielerisch lernt man nebenbei eingestreute italienische Wörter und Redewendungen samt Lautschrift. Parlare italiano. So konnte ich in jeder Osteria meine Bestellungen aufgeben, schon damals interessierte mich Essen mehr als alles andere. In einem kleinen Hinterhof von Florenz aß ich ein grünes Spargelrisotto, das ohne Übertreibung mein Leben veränderte.

Zuhause bei uns gab es sehr selten Reis. In den meisten deutschen Küchen war duftender Basmatireis noch völlig unbekannt, ganz zu schweigen von cremigem Risotto. Reis wurde zwar für manche Gerichte als Beilage hübsch zur Pyramide geformt, schmeckte dadurch aber auch nicht besser. Auch grüner Spargel war mir unbekannt. In den sandigen Böden meiner fränkischen Heimat wuchs nur weißer Spargel. Und diesen gab es entweder als Salat in Essig-Öl-Vinaigrette, mit fein geschnittenem Schnittlauch darüber, zusammen mit den in Franken so beliebten Bratwürsten – oder warm mit Sauce Hollandaise und gekochtem Schinken.

Was aber bei diesem Mittagessen in Florenz vor meiner Nase stand, war ein betörend duftender, dampfender Teller, der mit all dem nichts gemein hatte, was ich bislang von Reis kannte. Das Risotto hatte eine cremig-buttrige Konsistenz,
war gekrönt von knackig gebratenem, grünem Spargel und frischem Basilikum, das auf dem heißen Risotto sein Aroma noch verstärken konnte. Ich schwöre, den Geruch von Basilikum, Spargel und Parmesan habe ich noch heute in der Nase, wenn ich nur daran denke.

Zum Glück gibt es nun schon seit Jahren auch in unseren Breitengraden grünen Spargel zu kaufen. Er ist im Übrigen der wesentlich vitamin- und nährstoffreichere und nimmt –  nachdem er aus der Erde herauswächst – dank Fotosynthese seine grüne Farbe an. Aber Franken ist klassisches Anbaugebiet der weißen Stangen geblieben. Je nach Temperatur beginnt die Ernte Mitte bis Ende April, durch den Klimawandel immer häufiger auch noch etwas früher. So oder so wird dann 50 Tage lang täglich Spargel gestochen. Die Saison endet traditionell spätestens am Johannistag, dem 24. Juni. Eine alte Bauernregel besagt: Bis Johanni nicht vergessen, sieben Wochen Spargel essen!

Acht Sie beim Einkauf auf regionale Ware. Wer Spargel frisch vom Feld bekommt, oder direkt beim Bauern kaufen kann, um ihn dann möglichst sofort zu verarbeiten, ist klar im Vorteil. Zwar sind die Stangen besonders zerbrechlich, wenn sie ganz frisch sind, aber eben auch besonders zart. Behandeln Sie Spargel einfach vorsichtig und mit der gebotenen Wertschätzung. Und genießen Sie ihn in der kurzen Saison so oft wie möglich, ob als Salat, als für sich alle stehendes Gemüse – oder im Risotto, für die Italiensehnsucht.

SPARGELSALAT AUS ROHEM GRÜNEN UND WEIßEN SPARGEL

ZUTATEN
für 2 Personen

150 g weißer Spargel
150 g grüner Spargel
20 g getrocknete, in Olivenöl eingelegte Tomaten
20 g schwarze Oliven ohne Kern
20 g geröstete Pinienkerne
1 Eßl. fein gezupfter Kerbel oder Basilikumblättchen
Für die Vinaigrette:
Saft einer Zitrone
½ Teel. feiner Dijonsenf
2 Eßl. Haselnussöl
1 Eßl. Olivenöl
Salz, Pfeffer aus der Mühle
1 Eßl. milder Honig (z.B. Akazienhonig) oder Ahornsirup

ZUBEREITUNG

Die weißen Spargelstangen mit einem Sparschäler schälen und das untere Ende an der Stelle abschneiden, wo die Stange nicht mehr zart ist und hölzern wird.

Die grünen Stangen schäle ich nur im unteren Drittel und schneide ebenfalls das Ende ab. Die Tomaten schneide ich in kleine Streifen. Die Oliven halbiere ich. Basilikumblättchen zupfe ich ab.
Die Frühlingszwiebel schneide ich schräg in schmale Ringe.
Senf, Öl, Zitronensaft und Honig verrühre ich zu einer Vinaigrette und schmecke sie mit Salz und Pfeffer ab. 

Den Spargel vermische ich mit der Vinaigrette. Dazu gebe ich Tomaten, schwarze Oliven, Frühlingslauch und schmecke nochmals mit Salz und Pfeffer ab.

GUT ZU WISSEN

Die Spargelstangen wickle ich in ein feuchtes Küchenhandtuch, wenn ich sie nicht sofort nach dem Einkauf verarbeite. Aus den Schalen koche ich gerne einen Sud: Die Schalen mit kaltem Wasser in einem Topf bedecken und zusammen mit einer Prise Zucker, einer Scheibe Zitrone, einem Eßlöffel Butter zum Kochen bringen und anschließend 15 Minuten ziehen lassen. Der Sud ist eine gute Basis für eine Spargelsuppe, für Risotto oder für Spargelsalat.

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