Sauerkraut wie bei Oma

Wer, wie ich in Franken aufgewachsen ist und dort lebt, kommt an dem „Nationalgericht“ Bratwurst mit Sauerkraut nicht vorbei. Bei uns zuhause gab es in den Wintermonaten einmal die Woche Bratwürste mit einem Berg Sauerkraut, oftmals samstags, wenn das Essen schnell zubereitet werden musste, weil es an Samstagen so viele wichtigere Aufgaben in Haus und Garten zu erledigen gab. Deshalb wurden schnell mal Bratwürste in der Pfanne gebraten. Die Beilage dazu – das Sauerkraut – erforderte im Herbst dafür viel mehr Aufmerksamkeit und Handarbeit. Es wurde als Wintervorrat eingemacht, weil der Garten ab Oktober außer ein wenig Lauch und Feldsalat nichts mehr hergab.

Die Weiß- und Spitzkrautköpfe wurden im September geerntet und ein riesiger, schwerer Haufen landete bei meiner Oma in der Küche. Sie trug zum Arbeiten immer ganz bunte Kleiderschürzen. Heute frage ich mich oft, ob meine Vorliebe für bunte Kleider in meinen Genen liegt? Es gab zwei hohe blau-weiße Steinguttöpfe mit Deckel, wobei einer davon mindestens schon drei Mal geklebt war! Die Töpfe wurden im Hof mit dem Gartenschlauch ausgespritzt und in der Herbstsonne getrocknet. Zwischenzeitlich begann Oma ihre anstrengende Arbeit mit dem Herausschneiden der Strünke, um dann die Köpfe auf einem hölzernen sehr scharfen Hobel fein zu hobeln. Anschließend wurde mit einem Krautstampfer das Kraut in den beiden Steinguttöpfen gestampft und gepresst, bis genug Saft aus dem Gemüse trat. Gesalzen hat die Oma immer mit Augenmaß.

Das geflügelte Wort meiner Oma auf die Frage, wie viel und wie lange war: Das siehst du dann schon! Es gab eben damals bedeutend weniger unterschiedliche Gerichte als heute. Aber das, was man kochte oder buk, wurde von Mal zu Mal besser, weil man es mit genug Erfahrung immer optimieren konnte. Probieren wir heute vielleicht zu Viel und zu Verschiedenes auf einmal aus, was uns dann daran hindert, immer besser werden zu können in dem, was wir tun?
Der letzte Dill des Sommers, ein paar Blätter vom schwarzen Johannisbeerstrauch, Wacholderbeeren und Kümmel landeten in den Sauerkrauttöpfen. In die, um die Öffnung umlaufende Rinne wurde Wasser gegossen, sodass der Topf luftdicht abgeschlossen war. Im Inneren begann der Prozess der milchsauren Vergärung. Während der nächsten vier bis sechs Wochen kontrollierte Oma lediglich, ob sie Wasser in die Rinne gießen musste, der Deckel durfte keinesfalls vorzeitig abgenommen werden. 

Das erste Kraut zu probieren war immer spannend. Wie ist es wohl geworden? War es salzig genug, war es angenehm säuerlich, wie war das Aroma und der Duft? Es schmeckte zu Anfang immer sehr mild und deshalb gab es das Kraut auch mal roh – ohne Bratwurst. Immer natürlich mit dem Zusatz, wie gesund und vitaminreich das Sauerkraut sei.

Geschmeckt hat mir das Kraut am besten, wenn es zwei Mal aufgewärmt war, am Topfrand schon ein wenig braun und leicht eingebrannt war. Dadurch wurde es nämlich süßer!
Schon als Kind habe ich es mit Witwe Bolte gehalten: „Eben geht mit einem Teller – Witwe Bolte in den Keller, Dass sie von dem Sauerkohle – Eine Portion sich hole, Wofür sie besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt.“

Seit zwei, drei Wochen gibt es das „neue“ Kraut auf den Bauernmärkten fertig gehobelt und fermentiert zu kaufen. Direkt aus dem großen Fass und in Klarsichtbeuteln abgefüllt. Das klassische Sauerkraut wird mit Apfelschnitzen, Zwiebeln und Lorbeerblatt weich gekocht. Ich gebe einen guten Schuss Apfelsaft, Weißwein oder Prosecco dazu, ein Löffelchen vom frischen Gänseschmalz macht das Kraut zusätzlich noch sämig und geschmeidig.

Experimentierfreudige Leser:innen finden vielleicht an der Suppe Gefallen, die ebenfalls gut vorzubereiten ist und mehrmals aufgewärmt werden kann.

SÜPPCHEN MIT SAUERKRAUT

ZUTATEN

50 g Zwiebel
60 g Lauch – nur das Weiße
200 g mehlige Kartoffeln, z.B. Agria
100 g Sellerie
50 g Wurzelpetersilie
50 g Butter
200 g Sauerkraut
1 süßlicher Apfel
500 ml Gemüsebrühe
150 ml Sahne
Salz und Pfeffer
½ Teel. Kümmel
Etwas Petersilie zum Bestreuen

ZUBEREITUNG

Die Zwiebeln schälen und sehr fein würfeln. Den Lauch halbieren und gut waschen, um den Sand zu entfernen, der zwischen den einzelnen Blättern oft ist. Die Kartoffeln schälen und fein würfeln, ebenso Sellerie und Wurzelpetersilie.

Alles Gemüse in der Butter anschwitzen und das Sauerkraut dazu geben. Mit der Gemüsebrühe aufgießen, salzen und alles etwa eine Stunde köcheln lassen bis das Sauerkraut ganz weich ist. Mit dem Mixstab pürieren und anschließend durch
ein Spitzsieb gießen. Die Sahne steif schlagen und unter die Suppe ziehen. Nochmals mit Salz und Pfeffer abschmecken. Den Apfel fein würfeln und in etwas Butter goldbraun anbraten, klein gehackten Kümmel darüber geben.


ANRICHTEN

Die Suppe in tiefe Schalen geben und mit den Apfelwürfeln und Petersilienblättchen garnieren.

GUT ZU WISSEN

Wer es schon ein wenig weihnachtlich mag, würzt die Suppe mit Zimt und Piment.

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