Meine Eltern gingen jedes Jahr im Herbst „in die Pfiffer“, wie es bei uns in Franken heißt. Ich liebte es, abseits der Wege den Wald zu durchstreifen, morgens im Frühnebel, obwohl ich immer ein wenig Angst hatte, wir könnten uns verlaufen. Aber mein Vater hatte glücklicherweise einen guten Orientierungssinn. Auf ihn war Verlass – nicht nur bei der Pilzsuche! Er lehrte mich, den Blick fest auf die Erde zu richten und nicht einfach in seinen Fußstapfen hinter ihm her zu laufen. Denn: er würde alle Pilze bereits vor mir gesehen und gesammelt haben, so seine Regel und ich würde hinter ihm nichts mehr finden. Ebenso verfügten meine Eltern über einen „guten Riecher“, denn ob es Pilze gibt oder nicht, kann man regelrecht riechen im Wald. Oft kehrten wir nach einem Vormittag mit einem Korb voller Pilze nach Hause und nach einer gründlichen Putzaktion landeten die fein geschnippelten Pilze mit Zwiebelchen und Sahne in der Pfanne. Dazu gab es Semmelklos. Wie wir alle wissen, hat sich seitdem in den Wäldern vieles verändert – leider nicht zum Besseren. Trotzdem habe ich jedes Jahr wieder Lust, mit Pilzkorb und Messer durch den Wald zu laufen und freue mich, wenn ich ein paar Pilze finde. Es macht mir aber auch Freude, die Natur und die frische Waldluft zu genießen. Vor ein paar Jahren habe ich bei einem meiner Kochkurse ein junges Ehepaar kennengelernt, die leidenschaftliche Pilzsammler sind, aber ausschließlich nach Steinpilzen Ausschau halten. Sie beginnen schon ab Juni ihre Suche nach Sommersteinpilzen. Wie jeder „eingefleischte“ Pilzsammler haben sie „ihre“ Stellen, an denen sie schon in den Vorjahren fündig wurden und die sie niemanden gerne verraten. Die Sommersteinpilze verstecken sich vorwiegend in Laubmischwäldern. Wir wissen, dass die Pilze besonders gut bei Feuchtigkeit und nicht zu kühlen Temperaturen wachsen. Je nach Witterung kann es deshalb noch den ganzen Oktober Steinpilze geben. Es lohnt sich deshalb, mit einem Korb nach dem König der Pilze zu suchen. Plastiktüten und Eimer sind beim Sammeln für die Lagerung nicht geeignet, weil sich die Pilze darin zu schnell erwärmen würden und unschöne Druckstellen bekommen. Ein kleines Pilzmesser, an dem an einem Ende die | Klinge und an dem anderen Ende ein kleiner borstiger Pinsel angebracht ist, kann ein nützlicher Helfer sein. Je nach Kenntnis empfehle ich auch, ein Pilzbestimmungsbuch im Zweifel zu Rate zu ziehen. Die Steinpilze gehören zu den Röhrenpilzen, d.h. sie haben an der Unterseite der Pilzhüte helle Röhren, wenn es junge Exemplare sind. Je älter und größer ein Steinpilz ist, desto grüner sind die Röhren und es bildet sich ein regelrechter Schwamm. Diesen entferne ich beim Putzen komplett. Die Hüte sind an der Oberfläche hell- bis dunkelbraun. Der Steinpilz hat einen hellen Stiel mit einem netzartigen Muster. Steinpilze sind nicht kultivierbar, das macht sie neben dem Geschmack so besonders. Im Supermarkt wird man sie aufgrund ihrer kurzen Haltbarkeit kaum finden. Wir haben in Nürnberg auf dem Wochenmarkt in den Herbstwochen einen „Pilzmann“, der Steinpilze verkauft. Oft sind dort die großen Exemplare halbiert, damit man besser kontrollieren kann, wurmfreie Ware zu kaufen. Die gekauften Pilze duften natürlich nicht mehr so aromatisch, wie die am Morgen im Wald selbst gesammelten Pilze, die wenige Stunden später in der Pfanne angebraten werden. Auch wenn die Pilze manchmal recht sandig sind, werden sie auf keinen Fall gewaschen, sondern nur mit dem Pinsel und einem kleinen Messer vorsichtig gereinigt. Die Pilze würden sich ansonsten viel zu sehr mit Wasser vollsaugen und an Aroma verlieren. Werden die Steinpilze in der Pfanne angebraten, empfehle ich, kleine Portionen anzubraten. Gibt man zu viel auf einmal in die Pfanne, ziehen sie sofort Wasser und werden eher gedünstet als gebraten. Hat man Glück und findet viele Pilze auf einmal, lassen sich Steinpilze wunderbar trocknen. Daraus lässt sich in wenigen Minuten eine herrliche Steinpilzsoße zaubern, wozu mir Semmelknödel schmecken. Auch in den Risotto gebe ich immer ein paar getrocknete Steinpilze, die ich für eine Stunde in warmes Wasser einweiche. Die Italiener legen ihre Porcini mit Rosmarin und Salbei in Olivenöl ein, was sich immer gut auf einem Antipastiteller macht. Finde ich ganz schöne, wurmfreie, kleine, feste Exemplare gefällt mir eine Vorspeise aus hauchdünn geschnittenen Steinpilzscheiben. |
STEINPILZCARPACCIO
ZUTATEN für zwei Personen 4 kleine, feste Steinpilze 1 Knoblauchzehe Fleur de sel 1 Zitrone, Abrieb und Saft 3 Eßl. Olivenöl Grob gemörserter Pfeffer aus der Mühle 2 Teel. Eingelegte Preiselbeeren oder Vogelbeeren Klein geschnittene Petersilie oder ein paar Blättchen Rucola |
ZUBEREITUNG Die Steinpilze mit einem Pinsel sauber putzen und von allem Sand befreien. Anschließend in dünne Scheiben schneiden. Die Knoblauchzehe schäle ich und zerdrücke sie mit etwas fleur de sel mithilfe einer breiten Messerklinge zu Knoblauchmus. Dieses vermische ich mit Zitronenschale, Zitronensaft und mixe es mit dem Pürierstab mit Olivenöl auf. Die Steinpilze lege ich fächerförmig nebeneinander auf einen flachen Teller und beträufle sie mit der Vinaigrette. | ANRICHTEN Die Pilze mit klein geschnittener Petersilie und grobem, schwarzen Pfeffer bestreuen. Dazwischen ein paar Tupfer von eingelegten Preiselbeeren oder Vogelbeeren geben. Auch geröstete, gehackte Haselnüsse passen gut dazu. Oder ein paar Späne von fein gehobeltem Parmesan. GUT ZU WISSEN Der Steinpilz eignet sich im Gegensatz zu den meisten anderen Pilzen auch zum Roh essen. |