Die Kirschen läuten endgültig den Sommer ein. Meine Heimat Franken ist gesegnet mit alten Kirschengärten, die im April für wenige Tage die Landschaft in ein strahlend weißes Blütenmeer verwandeln. Leider geben viele betagte Obstbauern heutzutage auf, weil es für sie zu mühevoll wird, bei der Ernte wochenlang auf langen Leitern zu stehen. Weil ein Kilo Kirschen zu wenig Geld einbringt, sind junge Menschen nicht mehr motiviert für diese Arbeit. Die Kirschen müssen ja nicht nur geerntet und dann vermarktet werden, sondern ein Kirschbaum will auch ständig gepflegt und beschnitten werden. Viele unbeschwerte Kindheitserinnerungen verbinde ich mit den Kirschen. Zum einen haben wir Kinder im Hof jeden Sommer das Kirschkerne-Weitspucken geübt. Nachdem der Korb mit frisch geernteten Kirschen leer gefuttert war, kam die elterliche Ermahnung, nur ja nichts Kaltes zu trinken, um kein Bauchweh zu bekommen. Wir Mädchen machten uns hübsch mit Kirsch-Ohrringen: Jenen Kirschpärchen, die am Stielende zusammengewachsen waren und die sich so wunderbar an die Ohren hängen ließen. Sehr oft musste ich beim Entkernen helfen, denn die Früchte wurden von Ende Juni an vier, fünf Wochen lang täglich geerntet und nicht nur für Kuchen oder zu Saft verarbeitet, sondern vor allem für den Winter eingeweckt. So hatten wir viele Gläser im Keller, die uns auch in der kalten Jahreszeit Schwarzwälder Kirschtorte, Donauwelle und Kirschenmichel (eine fränkische Spezialität, bei der alt gewordenes Brot als Resteverwertung zu einer süßen Leckerei wird) bescherten. Auch heute ist der Wecktopf in meiner Küche im Sommer sehr oft im Gebrauch. Bis vor ein paar Jahrzehnten waren viele Familien noch Selbstversorger. Nachdem Obst und | Gemüse in der jüngeren Vergangenheit vor allem im Supermarkt gekauft wurden, machen sich heute viele wieder vermehrt Gedanken darüber, woher ihre Lebensmittel überhaupt kommen. Unter Städtern gibt es einen Trend zum eigenen Gemüse- und Obstgarten: Schrebergärten, die noch bis vor Kurzem als der Inbegriff von Spießigkeit galten, sind mittlerweile heiß begehrt. Frisch geerntete Kirschen wollen innerhalb von zwei Tagen gegessen werden. Je brauner und trockener die Stiele beim Einkauf sind, desto länger sind die Früchte schon gepflückt. Und sie müssen in jedem Fall glänzen – wie ein tiefroter Kussmund mit leuchtend rotem Lippenstift! Dann spritzt auch so schön der Saft heraus, wenn man die Kirsche im Mund hat. Kirschen sind nicht nur sehr sinnliche, fast erotische Früchte. Ihre unterschiedlichen Sorten bieten vielfältige Aromen zwischen zarter Säure und fruchtiger, saftiger Süße. Es gibt früh reife Sorten, wie z.B. die Burlat, gelbliche, rosafarbene, knallrote und fast schwarze Kirschen und zum Ende der Saison Sauerkirschen, wie die begehrte Schattenmorelle. Leider wurden viele alte Sorten, wie z.B. Köröser oder Amarelle, zugunsten einer längeren Lagerfähigkeit von modernen Züchtigungen verdrängt. In der Küche des Mittleren Ostens werden die Kerne der Felsenkirsche gemahlen als Gewürz unter dem Namen Mahlab gehandelt, das an Vanille erinnert und im Brot und süßem Gebäck für eine leicht bittere Note sorgt. Auch getrocknete Kirschen werden unter Hackfleisch oder Reis vermischt. Und obwohl man bei Kirschen zunächst an zahlreiche Kuchenrezepte denkt, passen Kirschen sehr gut zu Fleisch. Besonders mag ich sie zu gebratenem Rehrücken oder zur Ente. |
KIRSCHSALAT MIT KORIANDER UND KNOBLAUCH
ZUTATEN
600 g Kirschen 1 Zitrone, Schale und Saft 2 Eßl. Olivenöl 2 Knoblauchzehen Salz Grob gemahlener Pfeffer 1 großer Bund Koriander |
ZUBEREITUNG
Die Kirschen entkernen und mit einem scharfen Messer halbieren. Die Schale der Zitrone abreiben und anschließend die Zitrone auspressen. Den Zitronensaft mit Olivenöl aufmontieren, Salz und Pfeffer zufügen. Den Knoblauch schälen und eine Zehe sehr fein schneiden. Auf den Knoblauch eine gute Prise fleur de sel geben und mithilfe einer breiten Messerklinge den Knoblauch zu einer Paste zermahlen. | Den Knoblauch zum Öl-Zitronengemisch dazugeben und unter die Kirschen mischen, ebenso den Zitronenabrieb. Die zweite Zehe vom Knoblauch in feine Scheiben schneiden und in etwas Olivenöl goldgelb frittieren. Auf Küchenpapier abtropfen lassen. Am Schluss den gezupften Koriander in feine Blättchen sowie die Knoblauchscheiben zu den Kirschen geben und sofort servieren. |
GUT ZU WISSEN Die Kirsche verträgt sich gut mit Gewürzen, etwa mit Basilikum oder Koriander. Auch Estragon oder Liebstöckel passen sehr gut zu Kirschen. Mit Blattsalat, Feta und gerösteten Mandeln wird er zur sommerlichen Hauptmahlzeit. |