Meine Liebe zu den Orangen

Wie schälen Sie eigentlich Ihre Orangen? Halten Sie in der einen Hand die Orange und fummeln mit den Fingern der anderen Hand ungeduldig die Schalen ab? Oder gehören Sie zu den vornehmen Filetierer*innen? Dazu benötigen Sie neben einem langen scharfen Messer ein Schneidebrett (ich empfehle Ihnen für Ihre Küche – sofern nicht schon längst vorhanden – eines anzuschaffen, auf dem ausschließlich Obst und Süßes geschnitten wird).

Sie kappen die beiden Pole der Orange oben und unten ab und verhindern so praktischerweise das Wegrollen beim Filetieren. Sie setzen mit dem Messer oben an und gehen soweit unter die Orangenhaut, dass möglichst viel Schale mit dem Weißen, aber kein Fruchtfleisch mit der Schale weggeschnitten wird. Dabei die Rundungen nicht wegschneiden. Das hört sich kompliziert an, ist aber mit ein wenig Übung bald eine meditative Tätigkeit.

Die Orange liegt nun „nackig“ vor Ihnen und lässt sich in gleichmäßig, waagrecht geschnittene Scheiben wunderbar für einen Fenchel-Orangen-Salat verwenden. Auf diese Art geschälte Blutorangen – sogenannte MORO – die nun im Februar zu kaufen sind, halbiere ich nur einmal quer und serviere sie zu einem Blattsalat, beispielsweise Radicchio mit einer cremigen Burrata. Die Kür ist freilich, an jeder der zarten weißen Linien, die sich längs der so geschälten Orange zeigen nochmals das Filetiermesser anzusetzen und die einzelnen Segmente herauszulösen. Die Filets ergeben in einem Orangenkaramell ein besonders pures Mundgefühl, weil nichts adstringierendes von der Orangenhaut stört.

Meist liegt ja die gute Lösung zwischen zwei Extremen. Das wusste auch mein Vater, der bei uns zuhause schon immer für die filigranen Arbeiten in der Küche zuständig war und mein Empfinden für ästhetisches und genussvolles Essen früh prägte. Er schälte die Orangen so: Er nahm dazu ein kleines, gut
geschärftes Messer, was bei uns in Franken „Schneidteuferla“ heißt, also ein kleines Messer, das wie der Teufel schneidet. Die Endsilbe „la“ deutet immer darauf hin, dass etwas klein ist. Und Messerla, wenn es eines ist; Messerli, wenn es mehrere kleine Messer sind. Aber ich schweife von der Orangenschälmethode ab! Also mit der Spitze eines kleinen Messers von oben nach unten sternförmig in die Schale der Orange schneiden und mit der Klinge so weit vordringen, dass man gerade an der weißen Haut ankommt – nicht tiefer! Mit einem Abstand von 2 cm einmal ringsum in geraden Schnitten. Danach lassen sich die Schalen gut mit Daumen und Zeigefinger abschälen und man erhält, wenn man es vorsichtig genug macht, einen Stern aus Orangenhaut.

Orangen wurden bei uns nach dem Abendessen schnabbuliert. Mein Vater schnitt, schälte und legte die einzelnen Orangenspalten fein säuberlich von den weißen Hautfasern befreit auf einen Teller. Ich  musste nichts weiter tun, als zuzugreifen und mich an dem ätherischen Duft, der sich durch das Schälen allmählich im Wohnzimmer ausbreitete erfreuen. In meiner Kindheit waren die Orangen noch häufig in Seidenpapier gewickelt. Die besonders schönen glättete ich und hob sie als Lesezeichen auf.  Mit den Orangenschalensternchen und den Bildchen vergingen ganze Winterabende, manchmal wurden auch noch Walnüsse geknackt…. Und heute denke ich rückblickend gerne darüber nach, ob ich nicht damals schon den Grundstein meiner kreative Seite in mir gelegt habe. Wie wunderbar ist es doch, dass ich meine Kreativität mit meinem Hang zum Genuss beruflich verbinden kann.

Ach so, ja: Da das Schälen und Filetieren der Orange etwas kompliziert ist, gibt es dafür ein ganz einfaches Rezept! Dafür brauchen Sie nur die Schalen mit einer scharfen Reibe abreiben. Die Orangenschale aber ist es, die den ganz besonderen Geschmack beim gebeizten Fisch ausmacht.

BLUTORANGE, FENCHEL & BURRATA

ZUTATEN
für zwei Personen

1 Blutorange (MORO)
1 Fenchelknolle
½ Teel. Fenchelsaat
1 gute Prise Zucker
1 Schuss Pastis
1 Eßl. Olivenöl
Fleur de sel
Grob gemörserter Pfeffer
1 Knoblauchzehe
1 Zitrone
3 Eßl. sehr gutes, grünes Olivenöl
1 Burrata
½ kleine rote Zwiebel
1 Eßl. geröstete Pinienkerne

ZUBEREITUNG

Die Blutorange filetieren und entweder nur einmal quer halbieren oder in ½ cm dicke Scheiben schneiden. Von der Fenchelknolle das Grün wegschneiden und in einem kleinen Schüsselchen aufbewahren. Den Fenchel in gleichmäßig dicke Scheiben schneiden.

In einer Pfanne Olivenöl heiß werden lassen und die Fenchelsaat darin anschwitzen bis sie duftet. Dann die Fenchelscheiben nebeneinander legen und goldbraun anbraten. Mit etwas Zucker bestreuen, sodass der Zucker karamellisiert und die Fenchelscheiben gleichmäßig glänzen. 
Zum Schluss nach Geschmack mit einem Schuss Pastis ablöschen. Den Fenchel salzen und mit grob gemörsertem Pfeffer würzen.

Die Knoblauchzehe schälen und klein schneiden, bzw. mit etwas Salz bestreuen und mit einer dicken Messerklinge den Knoblauch auf dem Brett zu feinem Mus zerreiben. Den Knoblauch mit Zitronensaft und dem Olivenöl zu einer Vinaigrette verrühren. Die rote Zwiebel schälen und dünn in Scheiben schneiden.
ANRICHTEN

Fenchel und Orange auf einen breiten Teller schichten und mit der Vinaigrette beträufeln. Mit den Zwiebelscheiben und den Pinienkernen bestreuen. Zum Schluss jeweils eine halbe Burrata darauf anrichten und nochmals großzügig Olivenöl darüber träufeln.
GUT ZU WISSEN
 
Anstelle von Fenchel passt auch sehr gut Radicchio oder Chicorée.

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