Der Karpfen ist nicht nur nachhaltig, sondern schmeckt auch richtig gut

Regionale Traditionen können Außenstehende manchmal kaum verstehen, nur diejenigen, die damit aufgewachsen sind, geraten in Verzücken. So geht es mir jedes Jahr aufs Neue Anfang September: Dann beginnt nämlich die Karpfensaison, die von September bis April dauert – also in den Monaten mit einem “r“. Diese Regel geht auf die Zeiten ohne Kühlmöglichkeit zurück, weil der Transport des Karpfens bei hohen Temperaturen lange Zeit nicht möglich war. Ich kann es kaum erwarten, bis es wieder etwas kühler wird und der Appetit auf einen halben, gebackenen Karpfen mit Kartoffelsalat, serviert in einer fränkischen Wirtschaft mit eigenem gebrautem Bier immer größer wird! Ein echter fränkischer Klassiker.

Der Karpfen hat nicht nur in meiner fränkischen Heimat eine Jahrhunderte alte Tradition. Er ist auch in der Lausitz, in der Steiermark und dem Burgenland, in Böhmen, Ungarn und in Polen sehr beliebt und hat einen festen Platz auf der Weihnachtstafel. Gleichwohl findet man ihn heute eher in Gaststätten auf dem Land, als in den Menükarten trendiger Restaurants in der Stadt.

Dabei gäbe es viele Gründe, daran etwas zu ändern: Zum einen ist der Karpfen ein ausgesprochen gesunder Fisch. Sein Fleisch ist relativ mager, enthält viele Mineralstoffe und Omega-3-Fettsäuren. Zum anderen gibt es für ihn in der Küche vielfältige Zubereitungsmöglichkeiten: er schmeckt gebacken, „blau“ in Wein-Essigsud mit süßlich, weich gekochten Zwiebeln, frittiert, geräuchert und sogar mit japanischer Misopaste ganz vorzüglich.

Außerdem ist der Karpfen der nachhaltigste Fisch, den man in Deutschland kaufen kann. Er ist der einzige Speisefisch, dem von WWF und Greenpeace eine ausgezeichnete Ökobilanz bescheinigt wird. Das liegt daran, das der Karpfen im Gegensatz zur Forelle
und zum Saibling keine anderen Fische frisst, sondern nur Plankton, Wasserflöhe, Schnecken oder Insektenlarven auf seinem Speiseplan stehen.

Zu unserer Kulturlandschaft gehören bereits seit dem neunten Jahrhundert die Teiche bzw. die “Weiher“, wie wir Franken sagen, die auch als Wasserspeicher und zum Antrieb von Mühlen angelegt wurden. Die Klöster förderten die Teichwirtschaft, da die Mönche während der Fastenzeit einen besonders hohen Bedarf an Fisch hatten. Aus dieser Zeit stammt der Begriff „Mönch“, jener meist hölzerne Ablaufbehälter, der in jeden Karpfenteich eingebaut ist, um ihn im Herbst trocken legen zu können.

Leider ist es immer noch nicht einfach, guten, frischen Karpfen zu kaufen. Unsere Kühltheken sind voll mit dem unsäglichen Alaska-Seelachs, mit Lachsen aus Aquakultur, die wahrlich kein schönes Leben führen durften und mit überfischten Salzwasserfischen, die in guter Qualität mittlerweile zu astronomischen Summen gehandelt werden. Zeit also, dass der Karpfen als heimischer Fisch als Delikatesse wahrgenommen wird. Ich würde mich freuen, wenn mein Karpfenrezept dazu beitragen könnte.

Begeben Sie sich auf die Suche nach einer Fischzucht in Ihrer Nähe. So ist gewährleistet, dass Sie wirklich frischen Fisch kaufen. Lassen Sie sich aber den Karpfen unbedingt filetieren. Die Gräten des Karpfen lassen sich nur mit großer Mühe entfernen. Das Karpfenfilet wird beim Fischzüchter durch einen sogenannten Grätenschneider gelassen, wodurch das Filet seine typischen Querstreifen erhält. Es bleiben die Gräten dabei zwar im Filet, werden aber so klein geschnitten, dass sie beim Essen überhaupt nicht mehr wahrgenommen werden. Noch ein Grund mehr, sich an den Karpfen zu wagen!

MISO-KARPFEN IN DASHIBRÜHE

ZUTATEN FÜR ZWEI PERSONEN

1 Stück Kombualge (ungefähr Postkartengröße) ca. 4 Gramm
1 Liter Wasser
2 Eßl. Katsuo-Flocken
1 Eßl. Sake
1 Eßl. Mirin
1 Eßl. Sojasoße
Eventuell etwas Salz und Zucker
1 Karpfenfilet ohne Haut
1 Eßl. Helle Misopaste

1 Stange Lauch
1 Eßl. Sesamöl
Eine Prise Salz

ZUBEREITUNG

Zunächst das Stück Kombu in einem Liter Wasser über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen. Das Karpfenfilet mit der Misopaste einpinseln und ebenfalls kalt stellen.

Den Kombu aus dem Wasser nehmen und einmal kurz aufwallen lassen. Dann fügt man die Katsuo-Flocken hinzu. Die Flocken sinken auf den Topfboden. Den Fond schütte ich durch ein Sieb, das mit einem feinen Baumwolltuch ausgelegt ist. Mit Sake, Mirin und Sojasoße abschmecken.
Eventuell mit Salz und Zucker noch nachwürzen. Den Lauch gut waschen und in dünne Streifen schneiden. In Sesamöl goldgelb anschwitzen und weich werden lassen. Mit Salz würzen.

Nun das Karpfenfilet in der heißen Dashibrühe für ca. 5 Minuten ziehen lassen.
ANRICHTEN

Den Lauch auf die eine Seite einer tiefen Schüssel legen, daneben das Karpfenfilet. Noch ein paar Tropfen Sesamöl darauf geben.

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