Die Gans

Bei traditionellen Festen wie Weihnachten und Ostern, oder Silvester gibt es ein Festessen, das sich von Region zu Region unterscheidet, aber von Jahr zu Jahr bei den Feiernden unverändert bleibt. Auf solche Rituale kann ich mich lange vorher freuen. Sie verschaffen mir auch ein Geborgenheitsgefühl, weil ich ausnahmsweise nichts neues und nichts anderes will, sondern alles soll so sein, wie ich es in meinen Erinnerungen habe. Dies ist in der Küche von ganz besonderem Vorteil, weil man sich nicht wie sonst vor Einladungen tagelang den Kopf über die richtige Speisenfolge zerbrechen muss. Der Gänsebraten ist so eine liebenswerte Tradition, nicht nur zu Weihnachten. Auch bereits am 11. November – dem Sankt Martinstag – genieße ich traditionell die erste Gans im Jahr.

Die Gänse legen bis kurz vor Weihnachten noch einmal etwas an Gewicht zu, sodass eine Weihnachtsgans gut ihre 5 kg auf die Waage bringt. Der Brauch, die Gans zu Weihnachten zu essen, wenn viele Familienmitglieder um den Esstisch sitzen, ist schon deshalb sinnvoll, weil sie mindestens sechs Personen satt macht und in vielen Familien ist die Gans am 1. Weihnachtsfeiertag bereits seit Generationen der begehrte Festtagsbraten.

Die ganze Gans wird üblicherweise einen Tag vorher innen und außen eingesalzen und kühl gestellt. Das Gänsefett nehme ich aus dem Inneren der Gans heraus und lasse es in einem kleinen Topf bei geringer Hitze aus. Ist es flüssig, gieße ich es in meinen Schmalztopf, mein kulinarisches Schatzkästchen. So kann ich mich auf ein Gänseschmalzbrot freuen. Auch zum Blaukraut, der
traditionellen Beilage zur Gans, gebe ich einen guten Esslöffel Gänseschmalz, was dem Kraut einen schönen Glanz verleiht.

Aus den Flügeln, dem Kragen und den Innereien mit Ausnahme der Leber wird mit Wurzelgemüse die Soße zubereitet. Sie kann dann über Nacht abkühlen und anderntags entfettet werden. Die Leber gibt’s als kleinen Leckerbissen zwischendurch: Sie wird säuberlich von allen Sehnen befreit und in etwas Butter und ein paar Salbeiblättchen bei sanfter Hitze von beiden Seiten kurz angebraten. Ein Löffelchen Honig und ein wenig Orangenlikör darüber – ein Gläschen Gewürztraminer dazu. Auch das kann Tradition sein!

Am Tag der Zubereitung wird viel Beifuß in den Bauch der Gans gesteckt, ich gebe noch zwei, drei geviertelte Äpfel dazu und lege sie mit der Brustseite nach unten in den Gänsebräter. Nach etwa 40 Minuten wird die Gans auf den Rücken gedreht und bei ca. 150 Grad für weitere drei Stunden gemütlich fertiggegart.

Nachdem dieses Jahr leider nicht alle zusammenkommen können, habe ich das Rezept mit der gekochten Gänsebrust herausgesucht, die zwar nicht den wunderbaren Gänsebraten ersetzen kann, aber zwei Esser glücklich macht.

Wir alle hoffen natürlich, dass wir im nächsten Jahr wieder nach alter Gewohnheit zusammensitzen und uns dann an dem ganzen, köstlichenTier erfreuen können. Denn Traditionen, nicht nur kulinarische, braucht der Mensch, vielleicht heute mehr denn je.

GEKOCHTE GÄNSEBRUST MIT PASTINAKENPÜRÉE UND MOSTARDA

ZUTATEN FÜR ZWEI PERSONEN

2 Gänsebrüste
1 Eßl. Fünf-Gewürze-Pulver
Salz
1 Eßl. Gänseschmalz

1 Stange Lauch
2 Karotten
1 Stück Sellerie
3 Stengel Beifuss
2 geschwärzte Zwiebeln
1 Eßl. Fünf-Gewürze-Pulver
Für das Pastinakenpürée:

1 Schalotte
1 Teel. Anis
1 kg Pastinaken
1 kleines Stück Ingwer
2 Eßl. Butter
250 ml Milch
Salz
150 ml Sahne
1 Glas Mostarda oder Preiselbeeren

ZUBEREITUNG

Sofern die Gänsebrüste noch an der Karkasse sind, diese auslösen. Die Karkasse mit dem grob gewürfelten Wurzelgemüse in kaltem Wasser ansetzen und mindestens zwei Stunden köcheln lassen. Andernfalls einen reinen Gemüsefond ansetzen. Die Haut der Gänsebrüste mit einem scharfen Messer einschneiden und rundherum mit dem Fünf-Gewürze-Pulver gut einreiben und über Nacht durchziehen lassen. Die kalte Brühe gegebenenfalls entfetten und einen Teil davon in einer Sauteuse sämig einreduzieren lassen.

Die Brüste in die restliche kochend heiße und gesalzene Brühe legen und je nach Größe ca. 2 bis 2 ½ Stunden gar ziehen lassen. In der Zwischenzeit die Schalotte schälen und fein würfeln. In einem Topf Butter flüssig werden lassen, den Anissamen leicht
anschwitzen, die Schalottenwürfel dazugeben und goldgelb werden lassen. Die Pastinaken schälen und grob würfeln. Den Ingwer sehr fein würfeln. Beides in den Topf geben und mit Milch aufgießen. Salzen. Die Pastinaken weich werden lassen. Je nach Größe der Würfel wird das ca. 15 Minuten dauern. Danach die Pastinaken mit dem Pürierstab pürieren. Nach Wunsch noch steif geschlagene Sahne unterrühren.

Sobald die Gänsebrust weich ist, hebe ich sie aus dem Fond und brate sie auf der Hautseite in etwas Gänseschmalz knusprig an.
In feine Tranchen schneiden und sofort servieren.
ANRICHTEN

Das Pastinakenpürée auf einen vorgewärmten Teller geben, die Scheiben der Gänsebrust darauf anrichten. Mit der einreduzierten Soße beträufeln. Dazu einen Löffel Mostarda oder Preiselbeeren reichen.
GUT ZU WISSEN

Mostarda sind italienische süß-pikante Senffrüchte, die traditionell zur Bollito misto – einer herrlichen Brühe mit Rinderzunge, Rinderbrust, Kalbsbrust und Huhn, gegessen werden.

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