Entflammt für die Birne

Die Birne ist eine Diva. Aber wer sie umsichtig behandelt, wird reich belohnt: mit körnigem Biss und saftigem Schmelz. Am besten schmeckt sie in herzhafter Begleitung.

Sie werden oft in einem Atemzug genannt, aber man sollte Äpfel tatsächlich nicht mit Birnen vergleichen. Die beiden Obstarten haben viel weniger gemein, als man vielleicht vermutet. Ein Apfel ist robust und relativ unempfindlich gegen Druck. Eine Birne dagegen verhält sich wie eine Diva. Sie möchte vorsichtig, fast zärtlich angefasst werden, wie eine zerbrechliche Porzellanschale.

Die Birne will möglichst schnell nach der Ernte gegessen werden. Denn ihr Top-Reifezustand hält leider nur ganz wenige Tage an, sieht man von den harten, lagerfähigen Winterbirnen ab. Alle anderen bekommen schnell Druckstellen, werden zusehends brauner, weicher und mehliger. 

Vor vielen Jahren wurde mir diese große Empfindlichkeit schmerzlich vor Augen geführt, als ich auf dem Wochenmarkt bildschöne, vollreife Birnen kaufte, sie in meinen Fahrradkorb legte und etwa zehn Minuten durch Nürnbergs Innenstadt in meine Kochschule radelte. Wer Nürnberg kennt, weiß, dass viele Straßen noch mit Kopfsteinpflaster ausgelegt sind. Die kurze Fahrt reichte, um die Birnen durch die Erschütterungen in einen jämmerlichen Zustand zu versetzen. Sie waren zu nichts mehr zu gebrauchen. Seitdem lege ich Birnen stets äußerst vorsichtig nebeneinander in eine Kiste, ohne dass sie sich berühren, und transportiere sie nicht mehr mit dem Fahrrad. Ich versuche, sie immer noch am selben Tag zu verarbeiten.

Wenn Sie auf einem Bauernmarkt einkaufen, finden Sie dort in diesen Tagen Sorten wie „Conference“, „Williams-Christ“, „Clapps Liebling“, „Köstliche aus Chameux“, „Gute Luise“, „Alexander Lucas“ und eine Birne mit dem schönen Namen
„Gräfin von Paris“. Wobei letztere zu den Winterbirnen zählt, die auch für eine Lagerung geeignet ist.

Besonders nett finde ich es, wenn die Obstbauern kleine Birnenschnitze zum Kosten anbieten. So kann man am besten seine Birnen-Vorlieben herausschmecken: Der eine mag es süßer, die andere mag die typisch körnige Textur in der Birne. Ich zum Beispiel mag besonders den zarten, saftigen, sinnlichen Schmelz, wenn ich in eine reife Birne beiße.

Ich hüte drei wertvolle Erinnerungen an die Birne aus meiner Kindheit: Die erste führt in unseren ziegelroten Vorratskeller. Neben dem profanen Apfelmus stand dort eine ganze Reihe von Weckgläsern mit säuberlich geschälten, geviertelten und vom Kernhaus befreiten Birnen, die zusammen mit Nelken und Zimtstangen in einem zuckersüßen Sud an besonderen Tagen als Dessert serviert wurden. Die zweite Erinnerung führt mir Birnenhälften vor Augen, die dort, wo ursprünglich das Kernhaus war, randvoll mit Preiselbeeren gefüllt sind. So wurden sie beim Festessen zum gespickten Rehrücken gereicht. 

Dass Schokolade und Birne auf das Vortrefflichste zusammenpassen, lernte ich schon als Kind. Erinnerung Nummer drei: ich liebte die Torte „Birne Helene“, die meiner Mutter besonders gut gelang. 

Dazu kamen im Laufe der Jahre eine ganze Reihe neuer Erinnerungen und geschmacklicher Kombinationen, in denen die Birne eine gute Figur macht: Sie schmeckt mit Zimt, Nelke, Mandeln, Vanille und Schokolade süß und edel. Sie passt wunderbar zu Wild, Schinken und Speck. Sie schmeckt als Begleiterin zu vielen Käsesorten, bitteren Salaten, zu Fenchel oder Bohnen. Besonders auf der herzhaften Seite des Geschmacksspektrums lohnt es sich, ein wenig zu spielen und neue Rezepte auszuprobieren. Wie zum Beispiel diesen Flammkuchen mit Birnen und Ziegenkäse.

FLAMMKUCHEN MIT BIRNEN UND ZIEGENFRISCHKÄSE

ZUTATEN

für zwei Personen

Für den Teig:

300 g Weizenmehl Typ 550
1 Eigelb
1 Eßl. Olivenöl
Salz
200 ml Wasser
Für den Belag:

250 g Crème fraîche
2 reife Birnen
Etwas Zitronensaft
1 Eßl. Honig
Pfeffer aus der Mühle
150 g Ziegenfrischkäse
Ein paar Pekannüsse
Frischer Majoran
Optional: ein paar Scheiben von luftgetrocknetem Schinken oder Bündnerfleisch

ZUBEREITUNG

Zunächst aus Mehl, Eigelb, Olivenöl, Salz und Wasser den Mürbeteig kneten. Nur so viel kaltes Wasser dazugeben, dass ein glatter, glänzender Teig entsteht. Diesen in Frischhaltefolie einwickeln und eine Stunde in den Kühlschrank legen.

In der Zwischenzeit die Birnen schälen, vierteln, das Kernhaus entfernen und die Viertel nochmals in gleichmäßige Scheiben schneiden, ca. ½ cm breit. Sollten die Birnen sich schnell braun verfärben, etwas Zitronensaft darüber träufeln. Majoran abzupfen. Die Tarteform mit Backpapier auskleiden. 
Anschließend den Teig auf einer leicht bemehlten Fläche dünn ausrollen und in die Tarteform legen. Den Teig mehrmals mit einer Gabel einstechen. Dann die Crème fraîche darauf verstreichen und mit den Birnenscheiben kreisrund belegen. Die Birnen mit etwas Honig beträufeln und darüber den Ziegenfrischkäse bröseln. Pfeffern und Majoranblättchen drüberstreuen. Dazwischen ein paar Pekannüsse setzen und den Flammkuchen bei 220 Grad Ober- und Unterhitze für ca. 12 bis 15 Minuten backen.
 
Warm servieren, dazu einen Radicchiosalat und/oder Trauben reichen.
GUT ZU WISSEN

Der Flammkuchen lässt sich prima vorbereiten. Eine halbe Stunde bevor die Gäste kommen backen und dann lauwarm zum Aperitif servieren!

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