Egerlinge und Rösti und die Kronenhalle in Zürich

Zürich ist eine meiner liebsten Städte. Es ist zu Fuß zu erkunden, mit dem Züri-See und der Limmat im Sommer von hoher Aufenthaltsqualität, die Oper ist Weltklasse – genauso wie die kulinarischen Angebote. Ja, Zürich ist teuer, aber man muss nicht alles kaufen, was es dort gibt. Werden die Fränkli bewusst eingesetzt, reichen sie für ein paar Tage – auch für einen Besuch in der Kronenhalle.

Nicht viele Gasthäuser lassen sich mit der Kronenhalle in Zürich vergleichen. Da ist zum einen die schöne Kronenhalle-Bar. Kaum betrete ich sie, rufe ich eine ganz bestimmte Haltung in mir ab, versinke in flaschengrünen Rindsledersesseln und bekomme Nüssli und Salzbrezeln in einem Silberschälchen zu meinem Gimlet. Viel früher als die 1965 erbaute Bar wurde der Ruhm der Kronenhalle begründet, als Hulda und Gustav Zumsteg 1924 das gutbürgerliche Speiselokal daneben eröffneten. Hulda Zumsteg – la Patronne – war eine Gastronomin, die ihren Beruf als Berufung empfand. 

Ihr gelang es, mit einem „einfachen“ Restaurant eine Begegnungsstätte zu schaffen, in der sich James Joyce, Thomas Mann, Frisch und Dürrenmatt, Fellini und Sophia Loren, Balenciaga und Yves Saint Laurent, Max Bill und Hans Arp trafen, um nur einige zu nennen. Auch Fritz J. Raddatz, langjähriger Feuilletonchef der ZEIT schrieb sich in eines der Gästebücher ein. In den sechzig Jahren des Wirkens von Hulda Zumsteg waren alle bei ihr. Und sie kannte alle und fand bei jedem den richtigen Ton. Macht das nicht Gastgeben aus? Auch wenn ich sie selbst nicht mehr erlebt habe, so wirkt ihr Geist noch immer in der alt ehrwürdigen Kronenhalle nach. Lese ich über ihre Freigiebigkeit, wenn es um das Wohl ihrer Gäste ging, fühle ich mich sofort angesprochen.

Parallelen sehe ich auch in ihrer Abneigung gegen alles, was man – schon damals – als gastronomisches Chichi bezeichnete. Sie
servierte einfache, doch mit Sorgfalt zubereitete Hausmannskost. Speisen wie Schnitzel, Bratwurst, Hackbraten, Leber und Mistkratzerli stehen noch immer auf der Speisekarte und natürlich das berühmte Zürcher Geschnetzelte mit Rösti! Die Kellner arbeiten stilvoll im weißen Sakko mit schwarzer Krawatte. Es gibt keine Musik. Aber es herrscht ein anregendes Stimmengewirr, es wird geredet, gefeiert, verhandelt, immer durch Raum, Essen und andere Zutaten animiert.

Die Kronenhalle wird für ein paar Stunden der Einkehr zum Heim, das Freude und Geselligkeit unter den Menschen verbreitet. Hulda legte (wie ich) großen Wert auf schönes Geschirr und Besteck sowie auf außergewöhnlichen Blumenschmuck. Die Bilder an den Wänden der vielen Künstler, wie Mirò, Chagall, Picasso und Matisse, die zu den Gästen und Freunden des Hauses gehörten, machen die Kronenhalle zu einem Gesamtkunstwerk an Essen und Trinken, Hören, Sehen und Staunen, Riechen, Fühlen und Genießen.

Natürlich habe ich keine solchen Gemälde an der Wand, aber das Verständnis, was Gastgeben und die Freude am Bewirten ausmacht, ist mir vertraut. Die Gäste sind mir das Wichtigste. In dem Bemühen um immer höhere Auszeichnungen und mehr Sterne wird oft vergessen, worum es eigentlich geht: Einen Ort zu schaffen, in dem einfach gut gekocht wird und in dem sich alle Gäste so wohl fühlen, dass sie immer wieder kommen möchten.

Als Hommage an die Kronenhalle deshalb mein abgewandeltes Rezept vom Zürcher Geschnetzelten. Ohne Kalbfleisch. Und Glück beim Sammeln von Pilzen brauchen Sie auch keines, denn es schmeckt mit Champignons, Egerlingen und aufgepeppt mit ein paar Gramm getrockneter Steinpilze auch sehr gut.

RAHMCHAMPIGNONS UND RÖSTI

ZUTATEN
für 2 Personen

Für die Rahmchampignons:
30 g Butter
25 g Schalotte
200 g Champignons oder Egerlinge
1 Eßl. Mehl
2 Eßl. weißer Sherry
250 ml Sahne
Salz
Weißer Pfeffer
Zitronensaft
Etwas Petersilie

Für die Rösti:
400 g mehlige Kartoffeln (vom Vortag)
30 g Butter
Salz

ZUBEREITUNG

Die Butter in einer Stielkasserolle flüssig werden lassen. Die Schalotte schälen und in kleine Würfelchen schneiden. Diese in der Butter anschwitzen, aber nicht braun werden lassen. In der Zwischenzeit die Champignons putzen, d.h. nur das untere vom Stiel wegschneiden und mit einem Küchenpapier oder Pinsel die Erde entfernen. Kleine Champignons lassen sich am besten vierteln. Hat man große Champignons empfehle ich, sie in feine Scheiben zu schneiden.

Die geputzten und klein geschnittenen Pilze in den Topf geben, mit dem Mehl bestäuben und einmal umrühren. Dann mit einem guten Schuss Sherry ablöschen.
Die Sahne nach und nach aufgießen, dabei ständig rühren, damit es keine Mehlklümpchen gibt. Einköcheln lassen, mit Salz, Pfeffer und evtl. noch einem Spritzer Zitronensaft abschmecken. Mit klein geschnittener Petersilie bestreuen. Die mehligen Kartoffeln (die am Vortrag mit der Schale weich gekocht wurden) schälen und durch die grobe Raspel reiben. Mit Salz würzen.

In einer Pfanne Butter (oder Butterschmalz) heiß werden lassen, die Kartoffelmasse zufügen und goldbraun anbraten. Etwas andrücken, dann wenden und auf der anderen Seite ebenfalls goldbraun anbraten.
GUT ZU WISSEN

Getrocknete Steinpilze weiche ich in heißem Wasser für ein paar Stunden ein. Ich schneide die Pilze klein und das Einweichwasser siebe ich durch ein feinmaschiges Sieb, um eventuell Erdereste der Pilze auszusieben. Das Wasser hat ein gutes Pilzaroma und wird für die Soße mitverwendet.
ANRICHTEN

Die Champignons auf Tellern geben, Rösti daneben legen und nochmals mit klein geschnittener Petersilie bestreuen.

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