Die unterschätzte Quitte

Der goldene Duft der Quitte

Im Garten meines Vaters stand ein Quittenbaum, nicht allzu hoch, aber sehr ausladend. Man brauchte keine hohe Leiter, um die gelben Früchte mit der samtigen Haut und den barocken Formen zu ernten. Im Oktober, bevor die schweren Quitten drohten, auf den Boden zu fallen, pflückten wir sie sorgsam, holten den Entsafter aus dem Keller, und kochten Quittengelee. Es war jedes Jahr die immer gleiche Prozedur. Sie endete erst, als alles in der Küche klebte und die gefüllten Gläser rubinrot leuchteten.
 
Heute noch kaufe ich aus Nostalgiegründen zu Beginn der Saison ein paar Quitten, lege sie in eine schöne Schale und freue mich über ihren betörenden Duft. Von meinem Obstbauern auf dem Markt bekomme ich aber zum Glück so viele Quitten, dass ich eine ganze Menge auch verarbeiten kann. Die Quitten dürfen – entgegen vieler anderer Obstsorten, die nur vollreif verarbeitet werden sollten – noch eine leicht grüne Schale haben. Dann nämlich ist der Pektingehalt am höchsten. Je höher der
Pektingehalt einer Frucht ist, desto leichter lässt sich ihr Saft gelieren. Und das funktioniert bei Quitten ganz wunderbar. Roh sind Quitten leider nicht zu genießen. Aber sie eignen sich für viel mehr als Gelee. Im Laufe der Jahre habe ich das Repertoire meines Vaters erweitert, heute verwende ich die ganzen Früchte etwa gern für einen Quittenfond. Bei der Quitte lässt sich das Prinzip der nachhaltigen Verwendung „from leaf to root“ richtig gut umsetzen: Die ganze Frucht lässt sich verwerten. Schalen und das Kernhaus sind für den Quittenfond sogar unabdingbar.
 
Wer in dem fruchtigen Fond dann Quittenspalten schmort, wird mit einem zartschmelzenden Dessert belohnt, das eine geniale Verbindung eingeht mit Stilton, jenem fantastischen Blauschimmelkäse aus England. Zu Birnenbrot oder zu Walnussbaguette ist das für mich ein gelungener Abschluss für jeden herbstlichen Genussabend. Natürlich vor der Schokolade, da halte ich es wie die Franzosen: Pas de fromage, après le dessert!

GESCHMORTE QUITTE MIT BLAUSCHIMMELKÄSE

ZUTATEN für zwei Personen

2 Quitten
50 g Zucker
100 g Stilton (oder anderer Blauschimmelkäse)
ZUBEREITUNG

Zunächst mit einem alten Küchenhandtuch den weichen Flaum von der wächsernen Schale abrubbeln. Dann die Früchte schälen und das Kernhaus herausschneiden. Ich gebe sie mit wenig Zucker in einen Topf und gieße so viel Wasser dazu, dass das Obst gerade so bedeckt ist. Dann lasse ich die Flüssigkeit mindestens eine Stunde bei kleiner Flamme köcheln.
In der Zwischenzeit halbiere ich die geschälten Quitten, oder schneide sie in gleichmäßig schöne Spalten. Keine Angst, wenn diese sich braun verfärben. Das geht schneller als bei Äpfeln und Birnen, trotzdem gebe ich keinen Zitronensaft dazu, denn ich mag die Quitten nicht zusätzlich säuern. Übrigens: Je grüner die Quitten geerntet werden, desto langsamer verfärben sie sich.

Den Fond gieße ich durch ein sauberes Gazetuch oder einen anderen Webstoff. Ich schmecke die Flüssigkeit ab und entscheide, ob ich ein Dessert machen möchte, ob ich die Quitte zu
geschmortem Lamm servieren will oder zum Käsegang. Dementsprechend dosiere ich den Zuckergehalt.
Den Fond in ein kleines, tiefes Blech oder eine Auflaufform schütten und die Quittenspalten hineinlegen. Mit Alufolie verschließen und im Backofen bei 150 Grad circa 30 Minuten lang schmoren. Sie sollten die Konsistenz der Quitte trotz Zeitangabe regelmäßig überprüfen. Die Quitte muss dunkelgelb werden, glasig, keine körnige Struktur beim Essen mehr aufweisen, auf dem Gaumen schmelzen. Erst dann ist die Quitte fertig geschmort. Mit Blauschimmelkäse belegt servieren – pur, oder zu ihrem liebsten Früchte- oder Nussbrot.

GUT ZU WISSEN

Die pochierten Quitten lassen sich prima einwecken und bilden ein phantastisches Dessert den langen Winter über, entweder mit einer Kugel Vanillleeis oder mit einer Scheibe Blauschimmelkäse.

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