Die vielen Talente des Selleries

Es gibt beliebtes Gemüse, das allein durch sein schönes Äußeres, durch Farbe oder Form auf sich aufmerksam macht. Und es gibt die Sellerieknolle. Die beige, beinahe farblose Wurzel fällt im Gemüseregal kaum auf. Und auch geschmacklich wird ihr selten Aufmerksamkeit geschenkt. Ich schriebe nicht den Küchenzuruf, wenn ich das nicht ändern wollte. Denn Sellerie kann viel, und tut viel, oft unbemerkt als Basis in unzähligen Gerichten.

Sellerie wird nach den letzten Nachtfrösten Mitte Mai gepflanzt und spätestens bis Ende Oktober geerntet. Der Gemüsebauer meines Vertrauens erntet kleine Knollen schon früher mit dem ganzen Grün dran. Das ist zwar hart und faserig und mit dem zarteren Staudensellerie nicht zu vergleichen. Wenn ich aber eine Brühe koche, ist das Grün ein willkommener Aromageber.

Im späten Herbst wird das Grün aber abgeschnitten und die Knollen werden zum sogenannten Lagergemüse. Das bedeutet, dass den ganzen Winter über regionaler Sellerie auf unseren Gemüsemärkten zu finden ist. Ich habe immer ein paar Knollen in meiner Vorratskiste in der Kochschule. Dort bereiten wir damit selbstgemachte Fonds zu, sei es Gemüsebrühe, Geflügel-, Fisch- oder Wildfond. 

Und auch für alle geschmorten Gerichte, Saucen oder Braten verwenden wir zum Anschwitzen oder Anrösten klein gewürfelten Sellerie. Dazu viele Zwiebeln und ein paar wenige Karotten, zusätzlich Wurzelpetersilie und eine Stange Lauch. Dieses Röstgemüse aus mindestens Zwiebel, Karotte und Sellerie wird in Frankreich als „mirepoix“ bezeichnet. Die Italiener sagen „soffrito“ dazu. Das Gemüse wird nach dem Anschwitzen mit Gewürzen wie Pfeffer, Piment und Lorbeerblatt so lange mit der Hauptzutat geschmort, etwa einer Rinderschulter oder einem Suppenhuhn, bis es zusammen mit dem Fleischsaft eine ordentliche Soße ergibt.

Der Sellerie ist also eine unverzichtbare geschmackliche Basis
für Saucen, Fonds und Schmorgerichte. Aber er kann auch allein glänzen. Zur Weihnachtsgans wurde bei uns zuhause neben Blaukraut und Klos auch Selleriesalat gereicht. Diesen bereitete mein Vater bereits am Vortag zu. Die geschälte Sellerieknolle schnitt er in gleichmäßig dünne, etwa einen halben Zentimeter starke Scheiben und kochte sie in Salzwasser. Ein Teil des Kochwassers wurde mit Obstessig, Sonnenblumenöl und Pfeffer zu einer Vinaigrette verrührt und über die weich gekochten Scheiben Sellerie gegeben bis diese mit der Flüssigkeit komplett bedeckt waren. Der Salat durfte dann einen Tag durchziehen. So zubereitet habe ich ihn schon lange nicht mehr gegessen, aber beim Schreiben bekomme ich richtig Lust darauf.

Selleriepüree mag ich auch sehr gern. Dafür schäle ich die Knollen und wasche die Schalen sehr gründlich. Die Schalen gebe ich in einen Topf, begieße sie mit Wasser sodass sie gerade so bedeckt sind und lasse sie für ca. 20 Minuten köcheln. Den Sud gieße ich vorsichtig durch ein Leinentuch, damit eventuelle Sandkörnchen darin aufgefangen werden. Mit dem gesalzenen Sud koche ich dann die in Stücke geschnittene Sellerieknolle weich. So potenziert sich der Geschmack des Selleries noch einmal. 

Ein großes Stück Butter und etwas Zitronenabrieb runden das Püree ab – eine geniale Alternative zu Kartoffelpüree. Das Püree können sie auch in selbst gemachte Pasta füllen, wenn Sie zu Weihnachten Tortelloni oder Agnolotti formen möchten. Geschwenkt in einer Zitronenbutter sind sie ein wundervoller Pastagang.

Wer auf den Geschmack von Sellerie gekommen ist, wird vielleicht auch Selleriesalz und Selleriesaat in seiner Küche haben. Beide schätze ich sehr – gerade im Winter, wenn ich nicht auf frische Kräuter zurückgreifen kann. Aber heute soll die Knolle doch noch einmal in einem Salat auftrumpfen. Nicht in dem meines Vaters, sondern in einem echten Klassiker. Guten Appetit!

WALDORFSALAT

ZUTATEN

1 Knolle Sellerie
2 – 3 Äpfel bevorzugt mit roter Schale
Schale und Saft einer Zitrone
1 Handvoll geröstete und karamellisierte Walnüsse
1 Eßl. Zucker
2 Eßl. Walnussöl
250 g Joghurt natur, 3,8 % Fett
Oder einen Becher Sauerrahm 10 %
Salz und schwarzen Pfeffer aus der Mühle

ZUBEREITUNG

Den Sellerie gründlich schälen und auf der groben Scheibe der Gemüsereibe raspeln. Dabei sofort etwas Zitronensaft dazu geben, damit der Sellerie sich nicht bräunlich verfärbt. Ebenso verfahre ich mit den Äpfeln. Die Apfelschale lasse ich dran, das sieht schöner aus! 

Die Walnüsse röste ich in einer Pfanne mit etwas Zucker an, bis die Nüsse vom Zucker leicht überzogen sind und schön glänzen. Ich gebe die Nüsse auf eine Silpat-Backmatte und lasse sie abkühlen. Anschließend grob hacken.
Den Joghurt vermische ich mit der abgeriebenen Zitronenschale, Salz, Pfeffer und dem Walnussöl und vermische ihn dann mit Sellerie und Apfel. Das Mischen mache ich gerne mit der Hand, denn so kann der Sellerie etwas weich geknetet werden. Am besten lässt man den Salat über Nacht durchziehen. Erst zum Anrichten gebe ich die gehackten Walnüsse darüber, damit sie schön knusprig bleiben. Eventuell mit klein geschnittener Petersilie bestreuen. Eine Scheibe gutes Bauernbrot passt prima dazu.
GUT ZU WISSEN

Der Salat wurde bereits 1893 im New Yorker Hotel Waldorf Astoria erfunden. Er wurde klassisch mit Mayonnaise gemacht. Die leichtere Variante, die ich bevorzuge, ist mit Naturjoghurt, in das ich Walnussöl einrühre. Auch Sauerrahm halte ich für gut geeignet.

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