Die Maroni

Ist es bei Ihnen auch so, dass Sie mit bestimmten Lebensmitteln oder Gerichten ganz spezielle Ereignisse verbinden? Mir jedenfalls geht es oft so. Beim Duft von Thymian und Lavendel denke ich an den ersten Abend auf einem Campingplatz in Südfrankreich, bei gutem Emmentaler habe ich ein Bild von einem Besuch in einer Käserei in diesem Bilderbuchtal im Kopf. Und bei Esskastanien erinnere ich mich an ein paar wundervolle Tage in Schlanders in Südtirol bei Freunden.
 
Es war Ende Oktober und die Esskastanien waren bereits geerntet. Wir wanderten tagsüber bei Sonne, aber schon merklich kälteren Herbsttemperaturen an einem der Waalwege entlang, die gesäumt waren mit den Bäumen der Esskastanien. Der Kastanienbaum gehört mit den Eichen- und Buchenarten zur botanischen Familie der Buchengewächse. Das wird deutlich, wenn man die Fruchtbecher, in dem der hartschalige Samen sitzt, anschaut: Die dunkelbraunen Kastanien, meist drei an der Zahl, sind von einer grünen, stacheligen Fruchthülle, dem sogenannten Kastanienigel, umschlossen. Wenn er reif wird, springt er auf und gibt die braun schimmernde Frucht frei. Bei Bucheckern und Eicheln ist es genauso.
 
Es ist im Übrigen verboten, die Maroni in Südtirol einfach so zu sammeln. Früher waren sie Grundnahrungsmittel. Sie wurden frisch und getrocknet, roh und gekocht, geröstet und als Mehl verspeist, besonders im Winter waren sie über Jahrhunderte eine wichtige Quelle für Kohlehydrate. Im 19. Jahrhundert begann ein massiver Niedergang der Kastanienwälder. Die Kastanie wurde abgewertet, sie galt als „Armeleute-Essen“ – erst seit etwa zwanzig Jahren erinnert man sich wieder an diese geniale Frucht. Maroni zu Rosenkohl, Maroni als Suppe, Maronignocchi sind nur einige wenige, köstliche Gerichte, die mir da in den Sinn kommen.
Am schönsten ist aber folgende Tradition, wie ich sie in Südtirol erleben durfte: Die  Gastgeberin legte die Kastanien eine Stunde lange in kaltes Wasser. Wir saßen beim ersten Gläschen Apéro um einen Tisch herum und mussten mit einem scharfen kleinen Messer die gewölbte Oberseite der Maroni kreuzweise einritzen. Danach wurden sie draußen im gusseissernen Ofen geröstet. Wir standen in der Dunkelheit und der Kälte – glücklicherweise mit dem zweiten Apéro in der Hand – ringsherum. Es knisterte, es knackte, es duftete.
 
Die heißen „ Keschtn“ – so werden sie in Südtirol genannt – kommen, wenn sie fertig sind, in den Keschtnriggl, das ist ein aus Kastanienholz geflochtener Rüttelkorb, den man zum Schälen gebratener Kastanien verwendet. Durch die Querrippen des Korbes lösen sich die Schalenstücke und fallen heraus, im Korb bleiben die geschälten Keschtn zurück. Das funktioniert natürlich nur im Freien.

Nicht jeder hat natürlich so einen Keschtnriggl zuhause. Ersatzweise kann man die Maroni nach dem Rösten mit einem feuchten Geschirrtuch bedecken. So platzt die Schale noch etwas mehr auf und sie lassen sich leichter schälen. Heiß serviert, mit etwas Salz und Butter sind die Keschtn der Auftakt zur Marende, der Südtiroler Vesper, die um fünf Uhr den Abend einläutet.
 
Wenn es keine frischen Maroni mehr gibt, kaufen Sie im italienischen Lebensmittelladen Kastanienmehl und backen Brot aus Kastanienmehl. Die Schnittchen passen auch sehr gut zu einem Gläschen Rotwein.

KASTANIENMEHLBROT

ZUTATEN

150 g Kastanienmehl
50 g Weizenmehl
1 gute Prise Salz
20 g Hefe
1/8 l Wasser
3 Eßl. Olivenöl
50 g Haselnüsse
1 kleiner Zweig Rosmarin
Fleur de sel
ZUBEREITUNG

Ich vermische die beiden Mehlsorten mit der Hefe und dem Wasser, gebe einen Esslöffel Olivenöl dazu und das Salz und knete den Teig bis er nicht mehr klebt. Ich lasse den Teig mit einem Küchentuch abgedeckt ca. 30 Minuten an der Wärme „gehen“.

Dann rolle ich den Teig zu einer Platte von 1 cm gleich auf dem Backpapier aus und drücke geröstete und grob gehackte Haselnüsse sowie den klein geschnittenen Rosmarin mit den Fingern in den Teig. Ich beträufle die Oberfläche mit den restlichen zwei Esslöffeln Olivenöl und lasse ein paar fleur de sel Flocken darüber rieseln.

Den Teig lasse ich erneut für ca. 15 Minuten gehen. Anschließend backe ich das Brot bei 220 Grad für ca. 10 bis 15 Minuten.
GUT ZU WISSEN
 
Die Haselnüsse sollten unbedingt geröstet sein. Dafür gebe ich die Nüsse auf ein Blech und schiebe es bei 200 Grad für ca. 10 Minuten in den Backofen. Sobald die Nüsse zu duften beginnen, sind sie fertig. Wenn die Nüsse abgekühlt sind, lassen sich die braunen Häutchen leicht abrubbeln. Oder man gibt sie in ein Geschirrtuch und reibt die Nüsse aneinander. Ähnlich wie bei den Maronen, lösen sich die Häutchen durch Reibung ab.

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