Die Geborgenheit eines Weinblatts im November

Wenn Gott den Rebstock seinerzeit nicht erschaffen hätte, wäre unsere kulinarische Welt bedeutend ärmer. Aber glücklicherweise kann uns ein Glas Wein zu jedem schönen, festlichen Essen begleiten, ein Aperitif beschwingen und ein vin santo – jener Süßwein aus der Toskana aus rosinierten Trauben – ein Dessert vervollkommnen.

Wein ist ein jahrtausendaltes Kulturgut – gemacht aus Trauben. Dass Wein heute zum Massenartikel verkommt, anzutreffen in jedem Supermarktregal für wenige Euro, macht mich traurig und wütend zugleich. Dort, wo Trauben wachsen, ist das Gelände meist steil und unzugänglich. Ambitionierte Winzer:innen müssen sehr viel in Handarbeit erledigen, hadern mit Unwettern und Frösten und bemühen sich, im September und Oktober bestes Lesegut zu ernten. Wein muss daher wieder ein Genussmittel werden.

Neben den Keltertrauben gibt es die Tafeltrauben. Mit ihnen zu kochen, ist nicht empfehlenswert. Beim Garen verflüchtigen sich ihre feinen Geschmacksnuancen, platzen auf und blaue Trauben verlieren ihre kräftige Farbe. Deshalb verwende ich die Trauben lieber so: Neben dem allseits bekannten foodpairing Trauben zur Käseplatte mag ich auch Klassiker wie Trauben zu Wildgeflügel, wie Fasan oder Wildente. Frische süße Trauben, z.B. Muskatellertrauben harmonieren mit der Bitterkeit des Radicchio. Den etwas
dumpfen Sellerie peppen grüne, saftige Trauben in einem rohen Selleriesalat auf. Auch einem Krautsalat verleihen ein paar halbierte Trauben eine herbstliche Note. Getrocknet gehören sie als Rosinen meiner Meinung nach in jeden Apfelstrudel oder Kaiserschmarrn. Die kleinen, dunklen Korinthen müssen in den Weihnachtsstollen.

Aber es gibt auch jenseits von Wein noch wunderbare Produkte aus Trauben, die ich in meiner Küche sehr schätze: So z.B. der süß-saure Verjus, der nicht vordergründig sauer schmeckt wie viele Essige, sondern mit seinem herben Aroma fetten Geflügelgerichten aus Huhn oder Ente etwas Besonderes gibt. Verjus ist ein saurer Saft, der durch das Auspressen unreifer Trauben entsteht. Auch die Blätter vom Wein sind kulinarisch verwertbar. Jahrhundertelang wurden sie zum Einwickeln von Speisen verwendet, manch reifender Käse wird heute noch in Weinblätter gewickelt.

Die Küche der Levante verwendet Weinblätter, um eine Mischung aus Reis, süßen Rosinen, weich geschmorten Zwiebeln, Dill, Petersilie und Minze zu umhüllen und die Röllchen in Brühe weich zu garen. Die gefüllten Weinblätter können für viele Gäste sehr gut vorbereitet werden und schmecken kalt und warm zu jeder Jahreszeit. Die Zeit der Weintrauben ist allerdings jetzt in wenigen Tagen vorbei!

GEFÜLLTE WEINBLÄTTER (DOLMADES)

ZUTATEN

Weinblätter
100 g Basmatireis
Olivenöl
1 Zwiebel
1 Knoblauchzehe
1 gelbe Rübe
Minze
Petersilie
Dill
Piment, gemahlen
Zimt, gemahlen
1 Eßl. Korinthen
Salz
Pfeffer
1 Zitrone
Oder 2 Eßl. Verjus
 
300 ml Gemüsebrühe

ZUBEREITUNG

Die Zwiebeln schälen und sehr fein würfeln. In Olivenöl goldgelb anschwitzen und den Knoblauch dazu geben, ebenso die geraspelte gelbe Rübe. Alle Kräuter sehr fein schneiden. Zwiebel-Knoblauchgemisch zusammen mit den Kräutern und den Gewürzen zum Reis geben und mit Zitronenschale und Zitronensaft (oder Verjus) abschmecken. Nach Geschmack Korinthen dazu geben.

Dann Wickeln: Das Weinblatt mit der Unterseite nach oben legen und einen Teelöffel von der Reisfüllung darauf geben. Die Weinblätter seitlich links und rechts leicht einklappen und von unten nach oben rollen. Den Butternutkürbis genau dort quer teilen, wo die dicke Wölbung beginnt. Alle Kerne mit Hilfe eines Esslöffels gut herauslösen. Das Obere des Kürbis schälen und in Würfel schneiden. Die Zwiebel schälen und würfeln, ebenso den Apfel und den Ingwer in kleine Stücke schneiden. Zwiebel, Apfel, Ingwer und den klein gewürfelten Kürbis zusammen in einen Topf geben und zusammen mit dem
Apfelsaft und einer guten Prise Salz weich köcheln lassen. Anschließend zusammen mit der Handvoll Walnüsse pürieren. Die Masse würzen mit Salz und Pfeffer sowie dem Abrieb einer Zitrone. Die Aprikosen klein würfeln, die Petersilie sehr fein schneiden und die restlichen Walnüsse und Mandeln grob gehackt unter die Masse ziehen. Nochmals abschmecken.

In einen Topf, der mit etwas klein geschnittenem Wurzelgemüse und Weinblättern (ich nehme dazu immer die kleinen, die sich nicht gut rollen lassen) bedeckt ist, lege ich nebeneinander die Röllchen, streue noch ein paar Kräuter darüber und gieße mit Gemüsebrühe auf, sodass die Weinblätter gerade bedeckt sind. Am besten beschwert man die Weinblätter mit einem Teller. Den Deckel auf den Topf legen und ca. 30 Minuten sanft köcheln lassen. Noch ein paar Minuten nachziehen lassen. (Probieren, ob der Reis fertig gar ist).

Zum ZEIT-Magazin Artikel >