Die dicke Bohne

Zumindest optisch fällt sie in die Kategorie „Liebe auf den zweiten Blick“: Die dicke Bohne kommt nicht in so aufregenden Farben wie Tomaten, Auberginen und Paprika daher, sondern wirkt in einer dicken, grün-grau-braunen Hülse eher unscheinbar.

Man muss schon ganz genau auf Wochenmärkten Ausschau halten, um sie nun, Mitte Juli, zu entdecken. Denn Vicia faba hat zwar viele Namen, sie wird auch als Puffbohne, große Bohne, Acker-, Pferde- oder Saubohne bezeichnet. Aber trotzdem ist sie bei uns kaum mehr bekannt – und stand vielleicht nie sonderlich weit oben auf der Skala der beliebtesten Gemüse.

Vielleicht kommt der Name Saubohne nämlich nicht nur daher, dass die Schweine sie als Futter bekommen, sie macht nämlich auch sauviel Arbeit in der Küche: Zunächst müssen die Bohnen aus ihren Hülsen gelöst werden. Man drückt dazu die breiten Bohnen an den Längsseiten mit den Fingern auf. Die Hülse zerfällt dabei in zwei Teile und in ihrem pelzig-flaumigen Inneren erscheinen vier, fünf blassgrüne Bohnenkerne. 

Die Hülse ist Kompost, die Bohnenkerne werden für eine Minute blanchiert. Sobald sie leicht abgekühlt sind und man sie gut anfassen kann, werden die eigentlichen Bohnen aus dem Häutchen herausgeschnippt – ähnlich wie man es beim Häuten der braunen Mandelkerne macht. Und plötzlich glänzen grasgrüne, daumennagelgroße Bohnenkerne in der Schüssel. 
Einem Sommersalat mit krümelig weißem Schafs- oder Ziegenkäse geben die buttrigen Bohnen das gewisse Etwas. Das Gericht Bohnen und Speck befreit sich von dem vulgären Image, wenn man die frisch ausgelösten Bohnenkerne mit mildem Olivenöl, Sherryessig und jungen Petersilienblättern mariniert und sie mit einem schmelzig fetten, luftgetrockneten Schinken serviert. Die Italiener lieben die ausgelösten Bohnenkerne mit kleinen Stücken Pecorino als Apérohäppchen. Auch Minze passt prima zu den Bohnen. Wenn die dicken Bohnen nicht mehr die allerjüngsten sind und schon ein wenig mehlig werden, weil sich ihr Zucker langsam in Stärke verwandelt, mixe ich daraus einen grünen Hummus. Zutaten sind nur Zitrone, Knoblauch, Olivenöl und ein wenig Minze.

Damit wird wieder einmal die Einzigartigkeit der Hülsenfrüchte deutlich: Sie sind nicht nur stärkereich, sondern weisen auch einen sehr hohen Eiweißgehalt auf. Diese – innerhalb des Pflanzenreichs ungewöhnliche Eigenschaft macht sie nicht nur für Vegetarier oder Veganerinnen zu einem außerordentlich wertvollen Nahrungsmittel. Bis ins 17. Jahrhundert hinein war die dicke Bohne eine der wichtigsten Nahrungspflanzen Mitteleuropas. Unglaublich, dass sie heutzutage zu einer solchen Rarität geworden ist – beziehungsweise: leider so oft ignoriert wird.

Bereiten Sie deshalb für besondere Gäste dieses sommerliche Gericht mit dreierlei Bohnen zu, und verwenden Sie dazu reichlich vom pfeffrigen Bohnenkraut.

BOHNENCASSOULET

ZUTATEN

850 g Saubohnen
150 g grüne Buschbohnen
150 g blaue Bohnen
(oder gelbe Wachsbohnen)
150 g festkochende Kartoffeln
100 g weiße, getrocknete
Cannellinibohnen
100 g Butter
2 Frühlingszwiebeln
200 ml Gemüsebrühe
Bohnenkraut
Salz
Pfeffer

GUT ZU WISSEN

Die weißen, getrockneten Cannellinibohnen weiche ich über Nacht zusammen mit einer Zitronenscheibe, einem Knoblauch und etwas Olivenöl in kaltem Wasser ein. Für dieses Gericht sollten sie vorab separat weichgekocht sein.

ZUBEREITUNG

Die Saubohnen aus den Hülsen und den Häutchen lösen und beiseite stellen. Die Buschbohnen, blaue (oder gelbe) Bohnen in zwei Zentimeter lange Stücke schneiden und dabei den Stielansatz entfernen. Die Kartoffeln schälen und in grobe Würfel schneiden.

Von den Frühlingszwiebeln das Grün in feine Ringe schneiden, das Weiße in kleine Würfel. Die Butter in einem Topf zerlassen und die weißen Zwiebelwürfelchen darin anschwitzen.
Die Bohnen und die Kartoffeln dazugeben sowie das Bohnenkraut.. Etwas salzen und mit Brühe angießen. Ca. 15 Minuten sanft köcheln lassen, bis Bohnen und Kartoffeln weich sind. Gegebenenfalls nochmals Flüssigkeit angießen. Dann die bereits weich gekochten Cannellinibohnen daruntergeben, das Grün von den Frühlingsschoten und die ausgelösten Saubohnenkerne. Am Schluss mit Salz und Pfeffer abschmecken, die Bohnenkrautstengel herausnehmen.

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