Das scharfe Multitalent

In meiner Kochschule veranstalte ich nicht nur Kochkurse, sondern koche für Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, Taufen und Firmenfeiern. Jede Feierlichkeit wird bei mir sehr individuell gestaltet. So erinnere ich mich an eine Feier vor vielen Jahren, als der Gastgeber darum bat, alle Gerichte sehr scharf zu kochen und er würde auch die Dekoration aus seinem Garten beisteuern: Chilipflanzen! Er hat dort, wo andere Rosen und Dahlien kultivieren, Chili gepflanzt. In der Tat eignet sich die weite bunte Welt der Chilis mit ihrem Reichtum an Formen und Farben für einen besonderen Hingucker im Garten und sie sind auch auf dem Esstisch sehr dekorativ.

Seit zwei Jahren habe ich selbst im Garten ein Hochbeet mit Chilis in unterschiedlichen Schärfegraden und von fruchtig mild bis feurig scharf ist alles dabei. Sie haben so schöne Namen wie Bhut Jolokia, Aji Panca, Spiral, Criolla Sella und sweet Cayenne und werden erst in diesen Tagen in unseren Breitengraden rot und reif. Deshalb können Chilis nun auf Wochenmärkten gekauft werden und wir müssen nicht auf die immer gleiche Ware aus dem Asia-Supermarkt zurückgreifen. Es lohnt sich, ein paar Sorten auszuprobieren, um die enorme Vielfalt von Schärfe zu erkunden. Kaufen Sie mehrere Chilis einer Sorte, denn Sie können in der Schärfe stark voneinander abweichen: In Abhängigkeit von der Sonneneinstrahlung verändert sich der Schärfegrad der Früchte: Je mehr Schatten, desto weniger scharf sind die Früchte.

Schärfe ist ja kein eigentlicher Geschmackssinn wie süss, sauer, salzig, bitter und umami. Wenn ich meine zubereiteten Gerichte abschmecke, bin ich immer um Ausgewogenheit bemüht und versuche das jeweilige Produkt nicht mit Schärfe oder dominanten Gewürzen „unterzubuttern“. Ich möchte es nicht zu süss, nicht zu sauer oder zu salzig. Genau so wenig
würze ich mit Chilis so, dass meine Gäste beim Essen nach Luft schnappen und sich Frischluft zufächern müssen.

Mit Chili zu würzen ist große Kunst, finde ich. Es muss einen deutlichen Unterschied zu Pfeffer geben. So ist für mich Chili und Tomate eine perfekte Kombination. Deshalb würze ich Tomate – egal in welcher Form – mit Chili. Chili und Paprika gehören zusammen wie Chili und Sojasoße. Chili passt zu Brokkoli und auch zu weißen Bohnen. Paprika und Chili, Auberginen, Zwiebeln und Knoblauch werden in den Balkanländern zu Ajvar verarbeitet – eine Spezialität mit unverwechselbarem Geschmack. Auch in der südlichsten Spitze des Stiefels Italiens wird scharf und mit Chili gegessen. Natürlich denkt man bei Chili und Schärfe zuerst an die asiatischen Länder und die Thaiküche. Aber auch die nordafrikanischen Länder lieben es scharf und viele Länder der arabischen Welt.

Besonders hat es mir Piment d’Espelettes angetan. Eigentlich keine Chilischote, sondern eine scharfe Paprikaschote aus dem Örtchen Espelette im Baskenland. Das getrocknete Pulver ist süß und scharf gleichzeitig und würzt fein und dezent – viel besser als der in Rezepten oftmals erwähnte Cayennepfeffer.

Aber vor lauter Schärfe oder Schmerz oder Tränen in den Augen nichts mehr zu schmecken ist nicht mein Ding. Deshalb bereite ich aus den Chilis eine Würzpaste zu, die mir das ganze Jahr über gute Dienste leistet, wenn ich Gerichte wie Couscous oder Rezepte aus dem Nahen Osten zubereite. So kann jeder meiner Gäste die Dosis der Schärfe selbst bestimmen. Abgefüllt in Gläsern und sterilisiert ist so eine selbst hergestellte Chilipaste ein wunderbares, kulinarisches Mitbringsel für eine Essenseinladung.

HARISSA

ZUTATEN

ergibt sechs Glas à 220 ml

1 kg rote Paprikaschoten
100 g Chilis
1 Teel. Salz
4 Eßl. Olivenöl
1 Knoblauchzehe
1 Teel. Kreuzkümmel
1 Teel. Koriander

ZUBEREITUNG

Die Paprikaschoten dritteln und die Kerne sowie das Weiße am Rand entfernen. Mit der Wölbung nach oben auf ein Backblech legen und dieses mit der maximalen Oberhitze (ideal: 300 Grad Oberhitze, 0 Unterhitze) in den Backofen schieben. Dabei wird die Oberseite schwarz und die Peperoni werfen regelrecht Blasen. Die abgekühlten Paprika lassen sich dann mühelos schälen.

Koriander- und Kreuzkümmel werden separat voneinander in einer Pfanne ohne Öl trocken geröstet bis sie zu duften beginnen. Anschließend im Mörser fein gemörsert. Die Knoblauchzehe wird sehr fein gehackt.  Die enthäuteten Paprika werden mit der Knoblauchzehe, den Gewürzen, den entkernten Chilis und Olivenöl zu einer feinen Paste in
einem Cutter gemixt. Mit Salz abgeschmeckt und in sterilisierte Gläser gefüllt. Wen die grobe Struktur der Paste stört, kann sie durch ein Sieb streichen. So erhält man eine gleichmäßigere Konsistenz. Das, was im Sieb zurückbleibt, lässt sich noch für ein scharfes Gemüsecurry verwenden!

Passt zu: gegrilltem Fleisch, aufs Brot, zu Couscous, zu Huhn


GUT ZU WISSEN

Sind die Chilis sehr scharf, empfiehlt es sich, Gummihandschuhe beim Verarbeiten zu tragen.

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