Das Lächeln der Radieschen

Meine Geschichte über die Radieschen geht weit zurück: 2006 flog ich für drei Wochen nach San Francisco. Meine amerikanische Freundin Lisa holte mich mit ihrem qietschgrünen, offenen BMW und Hund Poo vom Flughafen ab und es begann eine Zeit von freedom, flower-power und happiness für mich von der ersten Sekunde an.

Der farmers market in San Francisco war eine Offenbarung für mich, in einer Zeit, in der in Deutschland gesunde Ernährung noch in tonnenschweren Ökokuchen und Hirsebratlingen bestand. Auf dem Markt gab es in großen Säcken Erbsensprossen, Radieschengrün, Rucola und Sauerteigbrote. Die Tartine Bakery in Mission erlang Weltruhm. Ich aß im wundervollen Restaurant chez panisse von Alice Waters in Berkeley zu Mittag und ich suchte das Greens auf, eines der ersten vegetarischen Restaurants. Die Küche leitete ein ZEN-Mönch. Ich stand in dem Restaurant irgendwann zwischen Mittags- und Abendservice, fasziniert, angezogen und inspiriert. 

Es ging dann so weiter: In meiner Kochschule MOKO begegne ich immer wieder Menschen, bei denen es sofort funkt, wie zum Beispiel bei Manu und Alex. Die beiden heirateten, feierten bei mir in der MOKO und wenige Wochen später schickt mir der Bräutigam die DVD „how to cook your life“ von Doris Dörrie und Edward Brown. Jenem Zen-Mönch, der damals im Greens in San Francisco kochte. Der Film zeigt ihn beim Brotbacken und vermittelt auf eindrückliche Weise die Hingabe und den Respekt vor unserer Nahrung, die notwendig sind, wenn man sie – so wie Edward Brown nicht nur als bloße Nahrungsaufnahme sieht. Und irgendwann saß dieser Zen-Mönch mit besagtem Hochzeitspaar, die miteinander befreundet sind, bei mir in meiner Küche. San Francisco meets MOKO. Unglaublich, ich war total aufgeregt!

Edward Brown schrieb mehrere Bücher, eines davon vier Jahre vor meinem Besuch in Kalifornien über das Lächeln der Radieschen.
Immer wieder einmal fällt mir sein Buch über das Lächeln der Radieschen in die Hand, bei dem es darum geht, dass in der Einfachheit das Wesentliche liegt. Dies symbolisiert das Radieschen eben besonders gut.

Der Frühling, der von uns jedes Jahr so herbeigesehnt wird und der uns das erste Frische liefert, lässt die Radieschen mit ihren zarten, scharfen und essbaren Blättern aus der Erde wachsen. Und dabei leuchten sie noch so strahlend und freundlich. Mit Radieschen kochen? Nein, aber sich auf das Wesentliche beschränken ist die (Koch-)kunst. „Mit Radieschen lachen und alles frohlockt“, so sagt Edward Brown. 

Die Einfachheit des Rezepts – es ist ja nicht mal ein richtiges Rezept – ist trügerisch. Die Schwierigkeit liegt darin, wirklich gute Radieschen zu bekommen. Die aus dem Supermarkt sehen oft nicht allzu glücklich aus, mit welkem Laub und meist nicht von guter Qualität. Sie sind innen zu weich oder gar holzig. Auch zu viel Kunstdünger lässt Radieschen riesig werden. Aber deutet nicht schon die Endsilbe chen darauf hin, dass sie klein sein sollten?

Suchen Sie nach Radieschen, von denen Sie wirklich begeistert sind. Vielleicht finden Sie einen Stand auf dem Bauernmarkt, der kleine, pralle Radieschen anbietet. Wenn Sie einen Garten haben, drücken sie in kleinen Abständen Samenkörner in die Erde, in wenigen Tagen zeigen sich die ersten beiden Blätter. Auch in Balkonkästen lassen sich Radieschen gut ansäen, weil sie bescheiden und nicht raumgreifend sind. Radieschen frisch aus der Erde gezogen, kurz mit kaltem Wasser abgewaschen, mit Grün auf einer Platte zusammen mit Butter und Salz angerichtet, sind ein köstlicher Appetithappen. 

Zu erkennen, wie gut einfache, unverfälschte Zutaten sein können ist für mich die wichtigste Fähigkeit für eine Köchin und für einen Koch. Alle anderen Handgriffe sind erlernbar. 

RADIESCHEN MIT SALZ UND BUTTER

ZUTATEN
für 2 Personen

1 Bund Radieschen von allerbester Qualität
1 Teelöffel fleur de sel mit schönen Salzkristallen
1 guter Eßlöffel weiche Süßrahmbutter
GUT ZU WISSEN

Ein Gläschen französischer Cidre mit nur wenig Alkohol, der ein wenig herb, also bitter und nicht besonders süß schmckt, passt zu der Schärfe der Radieschen, zum Salzigen und zum Cremigen der Butter.

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