Das Hummus-Prinzip, aber mit Linsen

Schmeckt nicht nur mit Kichererbsen: Linsen ergeben ein wunderbar cremiges Hummus. Suchen Sie nach alten Sorten, denn Vielfalt schult den Genuss und tut der Umwelt gut.

Wie schön ist es doch, wenn etwas, das längst verloren schien, zu uns zurückkehrt. Eine alte Puppe aus der Kindheit, ein Ring von der Großmutter, das Lieblingsbuch von früher. Oder eine Linsensorte, die man für ausgestorben hielt. 

Die Linse ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Erde, in aller Welt wurden hunderte Sorten gezüchtet. Die Schwäbische Alb zwischen Donau und Neckar ist einer der Landstriche, der sich der Kultivierung der kleinen Hülsenfrüchte verschrieben hat. Und zwar sehr erfolgreich: Die Schwäbische Alblinse wurde vom Slow Food-Verein in die Arche des Geschmacks aufgenommen.

Zwei besonders schmackhafte Sorten der Alblinse aus den 1940er und 1950er Jahren – die Alblinsen I und II – waren lange Zeit völlig von den Äckern verschwunden. Doch 2007 bekamen die Bäuerinnen und Bauern der Öko-Erzeugergemeinschaft „Alb-Leisa“ wenige hundert Linsensamen von einer Saatgutbank in St. Petersburg geschenkt. Die ursprüngliche Alblinse hatte in Russland überlebt und der Anbau der beiden historischen Sorten wurde wieder aufgenommen. Seit zehn Jahren sind sie wieder im Handel, in meinen Augen ein wertvoller Beitrag für die Biodiversität von Kulturpflanzen-Saatgut.

Beschäftigt man sich einmal genauer damit, wie rasant die Anzahl unterschiedlicher Sorten in den letzten hundert Jahren zurückgegangen ist, wundert man sich nicht mehr, dass wir geschmacksintensives Gemüse vermissen. Jede Sorte hat einen etwas anderen Geschmack. Wir suchen nach immer neuen Aromaeindrücken, schulen unsere Gaumen, nehmen Umami als fünfte Geschmacksrichtung in unseren Wortschatz auf,

stellen zig Gewürzmischungen in unsere Küchen – doch trotz all dieser kulinarischen Aufbruchsstimmung vernachlässigen wir die Geschmacksvielfalt des Gemüses selbst. 

Für Sortenvielfalt zu sorgen würde sowohl unseren Geschmacksnerven als auch unserer gestressten Umwelt zugutekommen. Linsen beispielsweise sind ganz natürliche Stickstoffdünger. In kleinen Knöllchen an ihren Wurzeln binden sie Stickstoff aus der Luft, was wiederum für die weitere Fruchtfolge nützlich ist. 

Doch genug vom Feld, wechseln wir in die Küche. Der Geschmack der Linse sitzt in ihrer Schale. Kleine Linsen haben einen höheren Schalenanteil und damit mehr Geschmack. Die geschälten gelben und roten Linsen sind zwar schneller weich und leichter verdaulich, aber der deftige, erdige Linsengeschmack fehlt ihnen. Um diesen noch besser zur Geltung zu bringen, brauchen Linsen, die sehr wenig Fett enthalten, Öl als Geschmacksträger. Aus diesem Grund tut einem Linsensalat ein kräftiger Schuss Oliven- oder Walnussöl besonders gut.

Hülsenfrüchte wie Bohnen, Kichererbsen, Sojabohnen, oder eben Linsen, sind nicht nur sättigend, sondern liefern uns lebenswichtige Proteine. Wir können unseren Fleischkonsum ganz leicht reduzieren, wenn wir uns kulinarisch mit den Hülsenfrüchten anfreunden. Das Gericht, das ich diesmal ausgesucht habe, macht das besonders leicht. Es kommt dem beliebten Hummus aus Kichererbsen sehr nahe, der im arabischen Raum und in Israel perfektioniert wurde. Mein Rezept wendet das Prinzip der cremig geschlagenen Hülsenfrucht auf die Linse an. 

Ob Sie sich für Castellucciolinsen aus Umbrien, für grüne Le Puy Linsen aus der Auvergne oder die Alblinsen entscheiden, bleibt Ihnen überlassen. Probieren Sie sich einfach mal durch.

LINSENHUMMUS

ZUTATEN
für zwei Personen

100 g Linsen
Salz
1 Teel. gerösteter Kreuzkümmel
½ Knoblauchzehe
Saft ½ Zitrone
½ kleine Chili
2 Eßl. Olivenöl
2 Eßl. Joghurt, natur
1 Eßl. Tahini
Ein Löffel Granatapfelkerne oder Berberitzen
Etwas Petersilie
GUT ZU WISSEN

Je frischer die Linsen sind, desto weniger lang ist die Kochzeit. Die schwäbischen Alblinsen weiche ich nicht ein. Sie brauchen für einen guten Biss max. 20 Minuten, für Püree, Hummus oder Suppe lasse ich sie etwas länger kochen. Salz gebe ich dazu, nachdem die Linsen weich sind.

Wenn Ihr Darm empfindlich auf Hülsenfrüchte reagiert, geben Sie etwas Natron ins Kochwasser. Wenn Sie öfter Hülsenfrüchte essen, gewöhnt sich Ihr Darm daran und freut sich über die Ballaststoffe.

ZUBEREITUNG

Die Linsen in einem Topf kochen, der nur so viel Wasser führt, dass die Linsen gerade gut bedeckt sind. Meist passt ungefähr ein Verhältnis 2:1 Wasser zu Linsen. Zu viel Wasser ist kontraproduktiv, weil einige Geschmacks- und Mineralstoffe dann im Wasser landen, das man wegschüttet. 

Wenn die Linsen weichgekocht sind, salz ich sie, lass das übrige Kochwasser abtropfen und gebe sie in der Küchenmaschine. Nachdem sie etwas abgekühlt sind, gebe ich alle
Zutaten auf einmal dazu und mixe solange, bis die Masse eine cremige Konsistenz hat. Abschmecken, bis man ein ausgeglichenes Verhältnis von Schärfe und Säure erreicht.

Gibt man ein paar Löffel gekochte, aber nicht pürierte Linsen dazu (z.B. einer anderen Sorte), hat man nicht nur einen Dip, sondern ein sättigendes Gericht. Helles Fladenbrot passt immer dazu, wie beim Kichererbsen-Hummus.

ANRICHTEN

Für Farbe sorgen Granatapfelkerne und etwas Petersilie, beides großzügig darüber streuen.

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