Das Glutamat der Natur

Umami schmecken wir schon in der Muttermilch, vielleicht sind wir deshalb so versessen darauf. Wer weiß, welche Zutaten viel davon enthalten, kann jedes Gericht abrunden.

Umami ist ein relativ neuer Begriff in der Kochgeschichte. Aus dem Japanischen übersetzt bedeutet er so viel wie köstlich und gilt neben den Komponenten süß, bitter, salzig und sauer als der 5. Geschmack. Gemeint ist damit die aromatische Tiefe, Vielschichtigkeit, Vollmundigkeit und Dichte, die in manchen Lebensmitteln steckt und unsere Gerichte gewissermaßen „rund“ macht.

Dass das japanisch klingt, rührt daher, dass der japanische Naturwissenschaftler und Chemiker Kikunae Ikeda Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Kombualge Mononatriumglutamat isolierte und dessen geschmacksverstärkende Wirkung nachweisen konnte. Er taufte seine Entdeckung auf den Namen „umami“. Chemisch betrachtet ist dies ein Eiweißbaustein, der in Fleisch, Pilzen, Tomaten, gereiftem Käse und eben Algen vorkommt und damit nicht ausschließlich etwas mit japanischer Küche zu tun hat.

Angesichts solcher aromatischen Vorzüge dauerte es nicht lange, bis die Lebensmittelindustrie den Geschmacksverstärker nachbaute und Umami mit pulverisiertem Glutamat in Verruf brachte. Dabei ist es gar nicht so schwer: Man muss nur diejenigen Lebensmittel verwenden, die den Stoff ganz natürlich enthalten oder ihn durch Kochen, Beizen, Trocknen, Fermentieren oder Reifen entwickeln. So, wie wir Butter und Sahne als Geschmacksträger einsetzen, können wir umami-haltige Zutaten nutzen, um Gerichte geschmacklich abzurunden und aufzuwerten.

Beispiele gefällig? Der Feldsalat schmeckt intensiver mit ein
paar knusprig gebratenen Speckwürfeln. Der Caesar Salad beinhaltet viele Umami-Lieferanten wie Sardelle, Parmesan und knusprig gebratene Brotwürfel.

Ein Berg gekochter Pasta wird erst mit Parmesan zum vollendeten Genuss. Das schafft natürlich nicht irgendwas Geriebenes aus der Tüte, sondern ein lange gereifter Hartkäse, im Idealfall ein Parmigiano reggiano, mindestens 24 Monate, besser noch 36 Monate alt.

Eine Bratensauce entsteht mithilfe vieler angebratener Zwiebeln, die speziell beim Schweinebraten unerlässlich sind. Zudem wird durch langes Einköcheln und Reduzieren Brühe oder Sauce intensiver und bekommt so mehr umami. Schon deshalb sollte man sich beim Kochen Zeit lassen!

Ein Pilzrisotto wird dies durch Verwendung getrockneter, eingeweichter Pilze viel intensiver. Algen, Bonitoflocken, Misopasten, Fisch- und Sojasaucen sowie grüner Tee haben viel Umami-Potential. Auch die Herstellung eines Sauerteigs, der Mehl und Wasser in ein so geschmackvolles Grundnahrungsmittel wie Brot verwandelt, hat aufgrund der Reifung mit Umami zu tun.

Auch in der Muttermilch steckt Glutaminsäure und damit Umami. Vielleicht sind wir also deswegen so süchtig danach, weil wir bereits mit dem ersten Schluck auf diesen Geschmack programmiert wurden und mit ihr die erste sinnliche Befriedigung und Sättigung erhalten haben.

Und wenn Sie sich in der Küche öfter die Frage stellen, was denn noch fehlt, könnte es daran liegen, dass es weder Salz noch Säure, sondern einfach ein wenig Umami ist. In diesem Gericht führen die geschwärzten Zwiebeln, getrocknete Tomaten, schwarze Oliven, 13 Jahre alter, gereifter Balsamicoessig und Parmesan zum gewünschten Umami-Ziel.

GEBRATENER FRÜHLINGSLAUCH MIT PARMESAN UND BALSAMICO

ZUTATEN
für 2 Personen

12 Stengel zarten Frühlingslauch
Weiß und rot gemischt
2 Eßl. Olivenöl
1 Eßl. Puderzucker

Schale und Saft einer Zitrone
3 Eßl. Olivenöl
1 Knoblauchzehe
1 Eßl. gereifter, dunkler Balsamico, mindestens 10 Jahre alt
1 Eßl. schwarze Oliven, entsteint
1 Eßl. getrocknete in Olivenöl eingelegte Tomaten
Fleur de sel
Grob gemörserter schwarzer Pfeffer
1 Eßl. fein gehobelter Parmesan

ZUBEREITUNG

Von dem Frühlingslauch die Wurzeln abschneiden, unten am Wurzelansatz aber nicht zu viel abschneiden, damit der Lauch noch zusammenbleibt. Sofern alles vom Grün schön saftig ist, kann es verwendet werden. 

Eine Grillplatte (oder Pfanne) erhitzen, das Olivenöl dazugeben und die Lauchstengel von allen Seiten anbraten. Nach der Hälfte der Bratzeit etwas Puderzucker darüber stäuben. Man kann auch mit dem Bunsenbrenner (sofern zur Verfügung) nachhelfen und ähnlich wie bei der Crème brûlée
die Zwiebelschloten leicht anschwärzen. Die Zwiebeln aus der Pfanne nehmen und auf einen großen, flachen Teller legen. Aus Schale, Saft, klein geschnittenem Knoblauch und Olivenöl eine Sauce aufmontieren und über die Zwiebeln geben. Darüber den Balsamico träufeln.

Die schwarzen Oliven halbieren, die Tomaten in feine Streifen schneiden und über das Gericht streuen. Mit etwas fleur de sel und grobem Pfeffer würzen und zum Schluss den Parmesan darüber hobeln.
GUT ZU WISSEN

Wenn Sie es asiatisch mögen, schmeckt eine Vinaigrette aus heller Misopaste, Sojasoße, Zitronensaft und Ahornsirup über die gebratenen Frühlingszwiebeln auch sehr gut.
ANRICHTEN

Am besten lauwarm mit einem Stück frisch gebackenem Weißbrot Servieren.

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