Mais zählt überraschenderweise zu einer der sieben Getreidearten

Vor etwa vierzig Jahren begegnete ich in einer Osteria im Piemont zum ersten Mal der Polenta, einer der typischen Gerichte aus Mais und konnte ihr kulinarisch rein gar nichts abgewinnen. Sie war zu grob, zu trocken, zu geschmacklos. Zehn Jahre später wurde sie mir in Österreich ganz anders als buttrig-sahnige, cremige Beilage zu einer geschmorten Lammschulter serviert.  Darüber war ich gleich so begeistert, dass ich mich sofort in der Küche des Restaurants nach dem Rezept und der Marke des Maisgries erkundigt habe. Seitdem bereite ich Polenta auf diese Art zu. Auch in meiner Kochschule muss ich oft erst die Teilnehmer vom Genuss einer derart gekochten Polenta überzeugen, weil viele wohl auch die von mir beschriebenen ersten Erfahrungen mit Polenta gemacht haben und sie deshalb verschmähen.

Mais war im Alpenraum das vorherrschende Getreide und lange Zeit als Armenkost verpönt. Auch in Ungarn herrscht ein gutes Maisklima. Der Mais reift in unseren Breitengraden im Herbst heran. Der Großteil davon wird als Tierfutter verwendet oder landet als Energielieferant in einer Biogasanlage. Aber es gibt auch den Zuckermais oder Süssmais, der jetzt im September auf Gemüsemärkten als Maiskolben zu finden ist. Die leuchtend gelben Körner passen farblich so wunderbar zum Licht und der Sonne des Altweibersommers und ich kann der Süße des Mais in den nächsten Wochen einfach nicht widerstehen.

In der Küche ist er schnell und unkompliziert zubereitet: Zunächst entferne ich alle Blätter, die sich rings um den Kolben hüllen, ebenso gründlich alle Fäden, die man auch Quasten nennt. Den Maiskolben gebe ich für etwa 
15 Minuten in kochendes Wasser. Entweder serviere ich die Maiskolben – wenn ich zu einem rustikalen Essen unter Freunden einlade – im Ganzen mit Butter und Selleriesalz zu
einem schön bitteren Salat aus Löwenzahn, Radicchio und Rucola. Oder ich schneide, sobald der Mais abgekühlt ist, mit einem großen, scharfen Messer an den Längsseiten entlang, sodass die Maiskörner vom inneren Kolben abfallen. Dabei ist darauf zu achten, dass wirklich nur die Maiskörner abgetrennt und nicht ein Teil des harten, fasrigen Inneren mit abgeschnitten werden. Aus den süßen Körnern lässt sich ein wundervoller Salat mit etwas Apfelessig, reichlich Estragonblättern und Sonnenblumenöl zaubern.

Ist die Erntezeit des frischen Mais vorbei, begegnen wir ihm dennoch in der Küche fast unbemerkt immer wieder: Maizena ist der Handelsname für entöltes Maismehl, reine Maisstärke kennen wir als Mondamin. Beides brauchen die Kuchenbäcker unter uns für lockeren Biskuit. 

Sehr beliebt sind natürlich die Cornflakes, blattdünn gewalzte und geröstete Maisflocken. Auch der reine Traubenzucker (Dextropur) wird aufgrund des hohen Zuckergehalts der Maiskörnern aus ihnen gewonnen. Und wer der mexikanischen Küche gegenüber aufgeschlossen ist, wo Mais Jahrtausende lang Grundnahrungsmittel ist, freut sich an phantasievoll gefüllten Tortillas, die auch all diejenigen essen können, die Gluten nicht gut vertragen. Das Eiweiß im Mais ist nämlich frei von Kleber. Natürlich will ich auch Popcorn erwähnen, gegen das im Grunde nichts einzuwenden ist, sofern es nicht die tägliche und ausschließliche Mahlzeit ist.

Da der gegrillte Maiskolben zum Steak wirklich nichts mehr Neues ist, rühren Sie doch einmal Polenta mit gutem Maisgrieß nach meinem Rezept. Ratatouille oder gebratene Steinpilze passen auch hervorragend dazu.

POLENTA MIT FRISCHEM MAIS

für zwei Personen

ZUTATEN

30 g Butter
30 g Zwiebel
100 g Polenta
Salz
Muskat
500 ml Milch
100 g geriebener Parmesan
2 Maiskolben
100 ml steif geschlagene Sahne
Etwas Petersilie (oder Thymian)
Grob gemörserter Pfeffer

ZUBEREITUNG

Die Butter in einer Kasserolle flüssig werden lassen und die geschälte und fein gewürfelte Zwiebel darin anschwitzen. Den Maisgrieß dazugeben und langsam mit Milch aufgießen. Salzen und mit Muskat würzen und die Polenta auf kleiner Flamme etwa eine Stunde unter gelegentlichem Umrühren köcheln lassen. Sollte die Polenta zu fest werden, gebe ich noch Gemüsebrühe oder weitere Milch dazu.

In der Zwischenzeit putze ich die frischen Maiskolben, entferne alle Blätter und Fäden und gebe sie für ca. 15 Minuten in kochendes Wasser. Anschließend schneide ich die
Maiskörner ringsum mit einem scharfen Messer vom Kolben ab.

Sobald die Polenta fertig ist, gebe ich die Maiskörner darunter (einen kleinen Teil zum Anrichten zur Seite legen). Anschließend rühre ich den geriebenen Parmesan und die fein geschnittene Petersilie darunter und schmecke nochmals ab. Für eine besondere Cremigkeit sorgt nochmals die steif geschlagene Sahne, die kurz vor dem Servieren untergerührt wird. Gegebenenfalls nachsalzen und mit Pfeffer würzen.
GUT ZU WISSEN

Ich verwende grob gemahlenen gelben Maisgrieß, der nicht vorbehandelt ist. Er muss mindestens eine Stunde entweder in Gemüsebrühe oder Milch quellen, bis er weich ist und ein geschmeidiges Mundgefühl hinterlässt. Er hat nichts mit der Instant-Fertigpolenta aus dem italienischen Supermarkt zu tun, der nur eine Minute im Wasser kochen muss. Anders als bei Risotto genügt es, die Polenta ab und zu umzurühren, damit nichts am Topfboden kleben bleibt.
ANRICHTEN

Die Polenta auf flachen Tellern anrichten, darüber den restlichen Mais anrichten und dazu einen Salat aus Löwenzahnblättern, Radicchio, Endivien oder Rucola servieren.

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