Im Marillen-Schlaraffenland

Eine Marille aus der Wachau ist noch lange keine Wachauer Marille. Das erfahre ich, als ich Ende Juli in die Wachau reise – und zwar wegen der Marille, sie ist das Objekt meiner Begierde. Die Unterschiede sind hier sehr fein, wenn es um das Aroma geht: Die echte Wachauer Marille ist entweder eine „Kremser“ oder eine „Ungarische Beste“ und damit eine geschützte Bezeichnung. Sie darf nur von diesen beiden Sorten sein. Kaufen kann man eine Marille dieser Güte natürlich auch nur in der Wachau, deswegen bin ich hier. 

Der Saft einer Marille muss aus der Hand tropfen, die Süße muss in die Nase steigen und gleichzeitig etwas Säure die Ausgewogenheit im Geschmack bringen! Anhand dieser Frucht lässt sich wunderbar erklären, dass eben nicht jeder Geschmack um die Welt geschickt werden kann. Marillen reifen nicht nach, deshalb ist es unmöglich, sie zu exportieren und darauf zu warten, dass sie nach Tagen aromatischer schmecken. In der Wachau werden sie vollreif und duftend vom Boden aufgeklaubt – ganz vorsichtig, denn es sind empfindliche Früchte, die schon beim Anfassen fast zerfallen. Eventuell haben sie auf der einen Seite eine kleine Druckstelle vom Fallen, auf der anderen Seite sind sie noch leicht grün

Die grünen Stellen sind wichtig für das Gelieren, erklärt mir die Winzerin und Köchin Christine Saahs vom Nikolaihof in Mautern. Denn die Marillen werden nicht mit Gelierzucker zu Konfitüre gekocht, sondern zu einem klassischen Röster verarbeitet. Auf ein Kilo kleingeschnittener Marillen werden 200 Gramm gegeben und im Topf so lange gekocht, bis die Früchte zu Mus geworden sind. Die Masse wird in Gläser abgefüllt und danach für 30 Minuten eingeweckt. Das funktioniert auch gut im Backofen. Natürlich lässt sich auch feines Kompott aus den Marillen zubereiten. Dazu werden
festere Marillen halbiert, der Kern entfernt und roh in Gläser geschichtet. Man gießt mit einer Zucker-Wasserlösung im Verhältnis 1:5 auf und weckt die Gläser wiederum 30 Minuten ein. Aber ich habe auf meiner Reise auch noch etwas Wichtiges über die Marillenknödel gelernt. Und zwar, dass die Marillen dafür nicht entkernt werden. Der Kern gehört dem Gast. Und das ist auch deshalb sinnvoll, weil durch die geschlossene Frucht kein wertvoller, aromatischer Saft verloren geht und die Knödel beim Kochen kompakt bleiben.

Wenn die Marillen es denn in die Knödel schaffen, denn in einem Marillengarten kann man nicht aufhören sich unentwegt zu bücken und zu kosten. Steinobst gehört nicht zum bekömmlichsten Obst, liegt manchmal schwer im Magen und trotzdem machen solche  vollreifen Marillen süchtig – weil man immer weiter auf der Suche nach dem ultimativen Geschmack ist.

So, und was machen Sie jetzt mit meinem Rezept, ohne original Wachauer Marillen einkaufen zu können?

Erstens: akzeptieren, dass ganz bestimmte Landstriche ein ganz besonderes Klima haben und manche Gemüse- oder Obstsorten einfach nur dort optimal wachsen. Eine Marille braucht kalte Winter, warme Sommertage und kühle Nächte.

Zweitens: sich einmal eine Reise in die Wachau zur Marillenzeit vornehmen. 

Drittens: mein Rezept für die Zwetschgenzeit aufheben. Mit Zwetschgen schmecken die Knödel auch und die gibt es wesentlich unkomplizierter in unseren Breitengraden, aber erst im September.

MARILLENKNÖDEL

ZUTATEN

Der Teig reicht für ca. 10 Knödel

60 g Butter
1 Ei
250 g Quark
130 g doppelgriffiges Mehl
(Wiener Griesler)
50 g Grieß
1 Prise Salz
Etwas Zitronenabrieb

10 Marillen

120 g Weißbrotbrösel
100 g Butter
1 Eßl. Zucker
1 Teel. Zimt

ZUBEREITUNG

Die weiche Butter cremig rühren. Ei unterrühren, anschließend den Quark, das Mehl, den Grieß, Salz und Zitronenschale. Der Teig ist jetzt noch klebrig und weich. Deshalb stelle ich den Teig für mehrere Stunden kalt. Die Butter wird durch die Kälte wieder fest.

Den Teig teile ich in gleichmäßig große Stücke und drücke die einzelnen Teigstücke etwas platt. Ich wickle die Marille ein und verschließe die Naht so gut es geht.
Die Knödel lege ich in kochendes Salzwasser, reduziere aber die Temperatur, sobald die Knödel im Wasser sind. Das Wasser sollte nicht mehr sprudelnd kochen. Nach ca. 15 Minuten sind die Knödel fertig und ich hebe sie vorsichtig mit dem Schaumlöffel heraus.

Die Butter lasse ich in einer Pfanne leicht bräunen. Damit bekommt sie einen nussigen Geschmack (beurre noisette). Die Weißbrotbrösel darin goldgelb anrösten. Die Knödel wälze ich dann in den Butterbröseln.
ANRICHTEN

Die Knödel halbiere ich und lege sie in einen Dessertteller. In die Mitte der Knödel, streue ich Zimtzucker darauf. Nochmals etwas flüssige Butter aus der Pfanne darüber geben. Eine Nocke Vanilleeis dazu und evtl. noch ein Minzeblatt oder Zitronenmelisse.
GUT ZU WISSEN

Bei doppelgriffigem Mehl handelt es sich um Weizenmehl, das grober gemahlen ist. Es eignet sich besonders gut für Strudelteig.

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